Freitag, 17. Oktober 2014

Der Untergang des Priestertumes

Der Priester- unser Feind

„Die Kirche ist exakt das, wogegen Jesus gepredigt hat- und wogegen er seine Jünger kämpfen lehrte“,1 proklamiert Nietzsche in seinem posthumen Werk: „Der Wille zur Macht“. Man könnte ihnen als den Schöpfer der Parole :Jesus ja- Kirche- Nein Danke! bezeichnen. Jesus Angriff auf Kirche, Priester und Theologie „mündete, Dank dem Paulus, in eine neue Priesterschaft und Theologie- einen herrschenden Stand , auch eine Kirche.“2 Die Figur des historisch kritisch von Nietzsche rekonstruierten unverfälschten Jesu dient dabei als reine tabula rasa, in der dann ein zeitgenössisches Jesusbild eingezeichnet werden kann: das Leben Jesu in Wort und Tat sei „ein naiver Ansatz zu einer buddhistischen Friedensbewegung, mitten aus dem eigentlichen Herde des Ressentimennts heraus“. Dem wird dann der Kirchentheologe Paulus als der Verfälscher Jesu gegenübergestellt, der wider Jesu neu ein kirchliches Priestertum und somit eine Kirche etablierte: „Paulus geht von dem Mysterium-Bedürfnis der großen religiös erregten Menge aus: er sucht ein Opfer, eine blutige Phantasmagorie, die den Kampf aushält mit den Bildern der Geheimkulte: Gott am Kreuze, das Bluttrinken, die unio mystica mit dem Opfer.“ Typisch protestantische antirömische Ressentiments fließen dann noch aus seiner Feder: nichts läge Jesus ferner „als der plumpe Unsinn eines verewigten Petrus, einer ewigen Personal-Fortdauer.“ „Er bekämpft insgleichen die Hierachie innerhalb der Gemeinde.“

Eine der unzähligen Priesterbetrugsverschwörungstheorien und damit könnten wir dieses Kapitel abschließen, wenn sich nicht der Verdacht aufdrängte, daß diese Gattung der Priester/Kirchenbetrugsverschwörungstheorien heuer zum Allgemeinplatz gerade auch in sogenannten liberal -progressiven Kreisen der Kirche geworden ist. Das katholische Priestertum- der Irrtum der Kirche und man fügt dann gern hinzu, Jesus habe das Reich Gottes gepredigt, und heraus kam die Institution Kirche mit ihren Amtspriestern.

Den folgenschwersten Angriff auf das Priestertum startete Martin Luther mit seiner eigentümlichen These, daß das Opfer Christi am Kreuze nicht nur alle weiteren Opfer überflüssig mache ob seiner Alleingenügsamkeit, sondern vielmehr jedes weitere Opfer ins Unrecht setze als eine Mißachtung des Werkes Christi. Wer Gott nach dem Kreuzopfer noch Opfer darbringt, sündigt, weil er im Akt des Opferns die Alleingenügsamkeit seines Opfers ablehnt. Und auch wenn das Tridentinum diese urchristliche Lehre vom kirchlichen Opfer gegen Luther verteidigte und das 2.Vaticanum diese Grundlehre der Kirche nicht außer Kraft gesetzt hat- heuer pfeifen es uns die liberalen Modernisten von den Dächern, Luther noch überbietend: Jesus Christus ist nicht für unsere Sünden am Kreuze gestorben- es war kein Sühnopfer- und deshalb dürfte es in der Kirche auch kein Priestertum geben.

Als typisches Beispiel zeitgenössischen Modernismus sei hier B. Snela angeführt: im Urchristentum
obliegt es der Gemeinde, „von sich aus ohne leitende Amtsperson Taufe, Eucharistie und Salbung zu feiern“.3

Wie konnte aber nur in der Kirche Jesu Christi die Mär vom Priesterbetrug, daß es kein Priestertum geben dürfte, Fuß fassen, so daß diese Mär selbst einer der Gründe der aktuellen die Existenz der Kirche in Frage stellenden Krise des Mangels an Priesterberufungen werden konnte? Sollte Freud mit seiner Todestrieblehre doch recht haben: daß hier sich einfach die Lust am eigenen Untergang austobt oder besser gesagt, sich mit dem Reformwillen für eine zeitgemäße Kirche maskiert. Ist „Wir sind Kirche“ nicht einfach der Wille, auszulöschen, was man ist: Kirche? Lust am eigenen Untergang? Statt Kirche dann- ganz im Geiste Nietzsches eine hierachiefreie Gemeinde zu ersehnen?

Was macht den Priester so suspekt, daß von seiner Vernichtung geträumt wird und das nicht etwa nur von gestandenen Atheisten. Luther, wahrlich kein Atheist, war der erfolgreichste Bekämpfer des Priestertumes! Unzeitgemäß ist er nur, weil er um des wahren Priesters Jesu Christi willen das kirchliche Priestertum vernichten will, während die zeitgenössische Kritik, wie schon Nietzsche das Priestertum in seinem Amt des Opferns prinzipiell perhorreszieren.

Die Hl. Schrift bezeugt uns selbst den Archetypus des Ressentiments wider das Amtspriestertum. „Sie rotteten sich gegen Mose und Aaron zusammen und sagten zu ihnen: Ihr nehmt euch zu viel heraus. Alle sind heilig, die ganze Gemeinde, und der Herr ist mitten unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?“ Dieser in Numeri 16 erzählte Aufruhr der Rotte Korach wider das von Gott eingesetzte Priestertum ist nicht nur eine Erzählung eines singulären kontingenten geschichtlichen Ereignisses, sondern in dieser Geschichte manifestiert sich die Schattenseite des Priestertumes, die ihm geradezu notwendig zukommt im Licht seiner Konstituierung durch Gott selbst. Was im Licht steht, wirft Schatten. Dort, wo Menschen ihr Amt des Priesters als von Gott gesetzte Ordnung begreifen und bejahen, dort erhebt sich auch immer das Ressentiment, der Widerspruch gegen diese Ordnung. Geradezu klassisch bringt hier diese Rotte Korach das Nein zur Ordnung Gottes zum Ausdruck: Wir sind alle gleich- gleich heilig, gleich nah Gott und deshalb darf es in der Kirche keine Hierachie geben. Weil Gott uns allen gleich nahe ist, kann und darf es kein Vermittlungsamt zwischen Gott und den Menschen geben. Das Amt des Pontifex, des Brückenbauers zwischen Gott und dem Menschen, ist per se ein malum in se, weil es das Dasein Gottes schon bei allen Menschen vor den priesterlichen Vermittlungsdiensten verleugnet.(Nebenbei : die französische Revolution mit ihrer Gleichheitsideologie ist so gesehen auch nur eine säkularisierte Variante dieser Rottenphilosophie.)

Gleich heilig, gleich nahe Gott, das sind die zwei Argumente wider das Amtspriestertum. Entweder sollen dann alle Priester sein (so Luther) oder keiner, der moderne Protestantismus. Gleichheit versus Hierachie.

Nach dem Apostelfürsten Paulus ist schon der Kosmos in sich hierachisch aufgebaut. Gegen das nicht unplausible Argument der Bestreiter der leiblichen Auferstehung Jesu von den Toten, es gäbe nur einerlei Art von Leib, den zum Sterbenmüssen bestimmten, so daß eine leibliche Auferstehung nur eine zu einem weiteren dem Sterbenmüssen unterworfenem Leben sein könnte, setzt Paulus : es gibt nicht verschiedenen Leiber mit verschiedener Herrlichkeit und der verklärte Leib ist nicht mehr der Sterblichkeit unterworfen. Paulus entfaltet so eine kosmische Hierachie vom niederen Sein bis zum höchsten, das nicht mehr wie das niedere der Vergänglichkeit unterworfen ist. Wie die Natur so in sich hierachisch aufgebaut ist, so ist auch die Kirche seinshierachisch aufgebaut. Paulus Kirchenverständnis ist ja nicht das eines religiösen Vereines gleichberechtigter Mitglieder, sondern das eines organisch gegliederten Gemeinwesens, das als solches hierachisch ist.

Aber, und das ist so wahr wie die Einsicht des Predigers Salomon, es gibt nichts Neues unter der Sonne: gerade die von Gott gewollte und eingesetzte Hierarchie evoziert Ressentiments, kuluminierend in der Gleichmachereiideologie. Diesen Schatten wird die Kirche nie auflösen können, sie muß aber stets wider diesen Ungeist der Rotte Korach kämpfen.
Auf der Höhe des Zeitgeistes befinden wir uns, wenn wir, um die Grundlagen des Priestertumes zu nichten, etwa mit dem niederländischen Jesuiten Piet van Breemen meinen: „Das bedeutet nicht-wie etliche Christen leider denken- ,dass der Vater durch den Kreuzestod seines Sohnes versöhnt werden musste, sondern umgekehrt, dass wir dadurch versöhnt wurden.“4Daß die etlichen Christen, die leider so denken, die verbindliche Lehre der Katholische Kirche meint, tangiert diesen modernistischen Jesuiten mitnichten. Selbstverständlich ist ihm, daß der vollkommene Liebesgott keine Sühnopfer will, und somit ist jedes Priestertum überflüssig, weil der Liebesgott nur unsere Liebe als Antwort ersehnt; die Liebesreligion ist dann idealerweise vollkommen kultfrei.

Warum sollten Männer noch den Beruf des Priesters ergreifen, Priesterleben ist Opferleben, wenn das Priestertum völlig überflüssig ist und die Gemeinden so nur Gemeindevorsteher und Eucharistieleiter brauchen, aber keine Priester!

Der Verfasser möchte hierzu eine gewagte These aufstellen: In Folge eines übertriebenen Christozentrismus hat sich unser Blick auf das Kreuz Christi getrübt: wir übersehen das Mitwirken des Hohepriesters Kaiphas wie auch das des Pontius Pilatus an der Kreuzigung Christi zum Schaden des Begreifens des Wesens des Priesertumes wie auch des Staates. Wer das Kreuz Christi begreifen will, muß auch die Rolle des Hohepriesters Kaiphas bedenken und von daher erschließt sich dann auch eine Antwort auf die Frage, warum es (gegen Luther) neben dem wahren Priester Jesus Christus noch andere legitime Priester gibt!

Woran ist erkennbar für uns, daß der Kreuzestod Christi ein Opfer ist? Auch und gerade auch daran, daß Kaiphas hier nicht als Privatperson sondern Amtsperson wirkt. Er will einen Unschuldigen opfern, um dem ganzen Volk das Leben zu retten. Das ist seine Intention, die eines Verantwortungsethikers, dem das drohende Unheil vor Augen urteilt, daß es besser ist, daß ein Unschuldiger stirbt, als daß vielleicht das ganze Volk zugrunde geht. Dies sagt er aber nicht von sich aus, sondern es ist ihm von Gott eingegeben. Er als von Berufswegen zum Entsühnungsopfer Darbringen von Gott Erwählter erfaßt hier den Willen des göttlichen Vaters. Gottes Wille ist der Tod Jesu Christi, damit so die Menschen gerettet werden. Als Hohepriester übergibt er den unschuldigen Jesus dem Römischen Staat zur Kreuzigung. In diesem Übergeben wirkt er selbst als Priester, als der Hohepriester. Durch sein Mitwirken erhält das Kreuzesgeschehen, das ohne sein Dazutun eine rein staatliche Handlung wäre, einen kultischen Charakter. Ja, man kann und muß sagen, daß die Institution des Amtes des Hohepriesters und darin das ganze Priestertum des Alten Bundes seine Erfüllung findet, indem nun der Priester Kaiphas das einzig wahre Versöhungsopfer darbringt, indem er Jesus in der Intention dem Staate übergibt, daß der Unschuldige zu töten sei um des Heiles des Volkes willen. Diese Intention des Amtsträgers, die eins ist mit dem Willen Gottes, charakterisiert das Kreuz als das Sühnopfer, das gemäß Gottes Willen dagebracht wird. Und dieser Priester eröffnet somit einen Freiraum dafür, daß im kirchlichen Kultus, in der Feier der Eucharistie neben Jesus Christus als dem Dabringer des wahren Opfers,nämlich sich selbst, der Amtspriester tritt in den Intention, das Meßopfer dazubringen, wie einst Kaiphas.

Selbstverständlich wird jedes kultische Opfer Gott dagebracht und nur Gott. Und darum ist der Adressat der Versöhnung auch Gott und nur sekundär der Mensch, dem Gott sich als durch das Opfer Versöhnter wieder gnädig zuwendet und so er Versöhnung erfährt.

Erst das Wegschauen und Übersehen des Mitwirkens des Priesters Kaiphas erzeugt in uns die Illusion eines kultfreien Christentumes, weil im Kreuze dann nur noch ein politischer Gewaltakt des römischen Staates gesehen wird, dem keine kultische Qualität zuschreibbar ist.

Stünde im Zentrum des Christentumes wirklich nur die Verkündigung Gottes als alle Menschen unbedingt liebende Liebe, dann gäbe es wahrlich keinen Platz mehr für ein Amtspriestertum und einen kirchlichen Kultus. Und so ist es nur konsequent, daß Piet van Breemen dann die Kirche so definiert: „Gott hat uns zusammengeführt, damit wir die Wahrheit seiner an jeden von uns gerichteten Liebe leben und verkünden. Das ist Kirche.“5 Die Katholische Kirche lehrt dagegen: „Das Wesen und die Natur der Religion selbst enthüllt die Notwendigkeit des Opfers. ...Und wenn man die Opfer entfernt, kann eine Religion weder sein noch gedacht werden. Das Gesetz des Evangeliums ist nicht geringer als das alte Gesetz; im Gegenteil, sogar noch viel hervorragender, weil es das überreich vollendete, was jenes begonnen hatte. Die im Alten Testament gebräuchlichen Opfer wiesen schon aif das am Kreuz vollzogene Opfer voraus,“. Leo XIII in seiner Enzyklika: „Caritatis studium“.6

Wer den Opfercharakter des Kreuzes leugnet,muß auch den Opferkult des Alten Bundes als von Gott gewollte Ordnung reprobieren und somit das Kreuz Christi im Geiste Marcions gegen das Gottesbild des Alten Testaments, des Gottes, der Opfer will und darum das Priestertum einsetzte, ausspielen- die alte Mär vom Liebesgott Jesu versus dem Zornesgott des AT! Das Priestertum der Kirche ist nicht nur das wahre Abbild des priesterlichen Amtes Christi sondern auch die Prolongierung und Erfüllung des Priestertumes des Alten Bundes. Der Hohepriester Kaiphas steht so an der Grenze zwischen dem alttestanentlichen Opferkult und dem zu Gründonnerstag von Christus neu eingesetztem- ganz dem Alten Bund angehörend überschreitet er das Alte schon in seinem Mitwirken an der Dabringung des einen wahren Sühnopfers, des Kreuzaltaropfers.

Was bleibt vom Christentum übrig, wenn man ihm seines Opfers am Kreuz und seines kultischen Meßopfers beraubt? A. Gehlen: „die Theologie wird zu einer simplen Ethik in erhabener Verkleidung“7, und die christliche Religion mutiert zu einem religiösem Humanitarismus, dem Glauben, daß jeder Mensch das Recht auf ein gutes Leben auf Erden hat.Und ein so mißverstandenes Christentum kann im Priester, in Opfer und in dem Gott, der Opfer will, nur unzeitgemäße Atavismen sehen. Die Priester- und opferlose Kirche wäre so die Krönung der Modernisierung und Humanisierung der Kirche. Das Amtspriestertum gerade in seiner zölibatären Formung ist so der Feind wider ein zeitgenössisches religionsloses Christentum, das sich ganz auf einen gelebten Humanitarismus, einer Weltbeglückungsideologie umformen will. Gehlen errfaßt dies als einen Selbstsäkulariesierungesprozeß der Kirche: „Die Religion wurde, vor allen in den letzten Jahrzehnten, immer ausschließlicher bloß humanitär,“8. Dem korrespondiert dann ein zur bloßen Menschenfreundlichkeit verzeichneten Gottesbildes, mit dem die Vorstellung von Opfer und Priestertum unvereinbar ist. Und so schaffte die zeitgenössische Theologie das Priestertum schon ab, lange bevor es infolge des Nachwuchsmangels auszusterben droht.
1Nietzsche, F., Wille zur Macht 168.
2Nietzsche, F. Wille zur Macht, 167.
3Snela, B., Priester/Bischof, in: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd.3 Hrsgb: Eicher,P., 1985 S.428f.
4Piet van Breemen, Im Geheimnis daheim, Ignatianische Impulse 26, 2008, S.55.
5Piet van Breemen, Im Geheimnis daheim, 2008, S.31.
6DH, 40.Auflage 3339.
7Gehlen, A. Moral und Hypermoral, 4.Auflage 1981 S.131.

8Gehlen, A. a.a.O. S. 129.

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