Dienstag, 25. November 2014

Das moderne Weltbild und die christliche Religion

Wo sind Himmel und Hölle?

Naturwissenschaft und Glaube-oder widerspricht Mariae Himmelfahrt dem modernen Weltbild?

Wer hat das noch nicht am Festtage der Feier Mariä Himmelfahrt erlebt, daß der Prediger sich weit und breit dafür entschuldigt, daß in Zeiten der Ökomene die Aufnahme Mariä noch in der Katholischen Kirche gefeiert würde.Sei das nicht ein Affront gegen unsere protestantischen Mitchristen? Und subkutan klingt da noch mit Nietzsches Aufruf zur Treue zur Erde, Heinrich Heines Votum, den Himmel überlassen wir den Spatzen und überhaupt: ist nicht der Himmel als Vorstellung eines Ortes, wo Gott samt den Engeln und Heiligen thront tiefstes Mittelalter. Mariä leibliche Aufnahme in den Himmel, das hieße dann, zeitgeistgemäß übersetzt, daß Gott den ganzen Menschen in seiner Einheit von Leib und Seele bejahe. Das und nur das besage auch dies Fest der Aufnahme Mariä in den Himmel und diese Umformung wäre auch für protestantische Ohren zumutbar, alles andere tiefstes Mittelalter.

Daß Kopernikus das Mittelalter mit seiner Vorstellung von der Erde als Scheibe, dadrunter die Hölle und dadrüber der Himmel und somit auch die christliche Vorstellung von Himmel- und Höllenfahrt ein für alle mal erledigt hätte, das wußte schon A. Rosenberg in seinem „Mythos des 20. Jahrhunderts“ zu verkünden: „Noch immer aber haben es Millionen nicht begriffen,daß Kopernikus, der am die Stelle des statischen Weltbildes von der unbeweglichen Erdenscheibe mit dem Himmel oben und der Hölle unten das dynamische der ewig kreisenden der Sonnensysteme setzte, unsere gesamte kirchliche Zwangsglaubenlehre restlos überwunden, ein für allemal erledigt hat.“1 Viele stimmen heuer dem zu selbst in der Kirche. Es sei hier als Extrembeispiel des Jesuiten Lenaers erinnert, der sogar neben den Glauben an Himmel und Hölle den Glauben an einen welttranszenden Gott verwirft, weil es für ihn nach Kopernikus nur ein Universum gibt, außer dem nichts ist, so daß es keinen Gott über uns und keine Hölle unter uns geben könnte. Ist Gott aber nur in der Welt, dann liegt es nahe, Gott pantheistisch aufzulösen.Das Werk dieses Jesuiten, „Der Traum des Nebukadnezars“ in der Intention, das Mittelalter in der Kirche zu überwinden, kommt dem dann auch erschreckend nahe.

Der schlichten Parole, die Kirche dürfe nicht etwas als verbindliche Lehre erklären, was den Erkenntnissen der Naturwissenschaft widerspräche, ist aber nicht zu widersprechen: nach katholischem Verständnis kann keine Wahrheit des Glaubens Ergebnissen der Naturwissenschaft widersprechen. Wenn sie ortslos wären in der von Gott geschaffenen Welt, dann könnten sie nicht weiter Bestandteil des Glaubens sein. Wo sind Himmel und Hölle, wenn das nicht einfach nur Symbole für positive oder negative Erfahrungen des Erdendaseins sein sollen? Wo wurde Maria aufgenommen, wenn sie in den Himmel aufgenommen wurde? Der Katechismus weiß darauf nur zweierlei zu respondieren: der Himmel sei der Ort Gottes und der geistigen Geschöpfe bezeichne die endzeitliche Herrlichkeit.2Von der Hölle heißt es: daß die Hölle den Zustand der endgültigen Selbstausschließung von der Gemeinschaft mit Gott meint.3 Himmel und Hölle werden so reduziert auf eine bloße Relationsgröße, bei oder entfernt sein von Gott, ohne zu fragen, ob nicht die Vorstellung von einem Bei-oder Abgesondertsein von Gott notwendig die Vorstellung eines Selbststandes des Menschen präsumiert, der nah oder fern von Gott ist und um dieses Seins willen ein Sein eines Raumes präsumiert, damit eine Relation zu Gott sein kann. Aber die Glaubenswahrheit der leiblichen Auferstehung verlangt, daß die Vorstellung einer Relation Gottes zum Menschen auch im ewigen Leben eine räumliche Dimension besitzt, denn Körprerlichkeit verlangt nach Räumlichkeit.

Wir könnten es uns einfach machen, und Himmel und Hölle einfach reduzieren auf die Vorstellung von: einem In -Gott-Sein oder Getrennt-von Gott-Sein. Aber damit reprodiziert sich von selbst wieder die Vorstellung des Raumes als des Ermöglichungsgrundes von einer solchen Relation.Würde von Maria gelehrt, daß sie, wie alle Menschen gestorben wäre, so daß nur ihr Leib begraben, ihre Seele aber zu Gott aufgenommen worden wäre, dann könnte man sich eine Relation ihrer Seele zu Gott raumlos vorstellen, aber ob ihrer leiblichen Auferstehung verbietet sich dies.

Alle biblischen Vorstellungen von einem himmlischen Gottesdienst, dessen Abbild der irdische ist, gar die Vorstellung von einem himmlischen Gastmahl inkludieren die Vorstellung einer Raümlichkeit des Himmels- keine Auflösung in einem In -Gott- Sein, wie etwa ein Regentropfen aufgeht in einem Meer.

Könnte es für uns nach Kopernikus noch eine Möglichkeit geben, Himmel und Hölle als etwas Räumliches zu denken, wobei dieser Raum nicht ein Element des uns bekannten Raumes, des Kosmos wäre?

Da menschliche Vorstellungen sehr zeitgeistbedingt sind, soll hier nun eine Anleihe in einer Wissenschaft gesucht werden, die im Rufe steht im Vergleich zu anderen, ewigen Wahrheiten näher als andere Wissenschaften zu kommen: die Mathematik. Zwei parallele unbegrenzte Linien haben keinen gemeinsamen Schnittpunkt, obgleich sie Element einer unbegrenzt großen Fläche sein können.So können auch zwei unendlich große Flächen parallel zueinander in einem Raum sein.ohne gemeinsame Elemente. Was für eindimenmsionale Gebilde in einer zweidimensionalen Fläche, was für zweidimensionale Flächen in einem dreidimensionalen Raum gilt, das gilt ebenso für zwei dreidimensionale unendlich große Räume in einem „Hyperraum“: in ihm lägen zwei dreidimensionale unendliche Räume so parallel zu einander, daß sie keinen gemeinsamen Punkt aufwiesen. Räume sind als von Gott geschaffene Ermöglichungsbedingungen eines Miteinanders von Geschöpfen zu denken, die auch ein Zusammensein mit dem Schöpfergott ermöglichen. Weil Gott Menschen und Engel schuf als von ihm verschiedene Wesen und die Beziehung Gottes zu ihnen ihr kreatürliches Sein nicht einfach nichtet, ist die Vorstellung eines Raumes adäquat , damit darin eine Geschichte einer Beziehung von Gott und seinen Geschöpfen möglich ist.

Die Frage, wo ist dann „oben“ und wo ist dann „unten“, ließe sich mit diesem der Mathematik entnommenen Gedanken dann beantworten: es ist ein von dem uns bekannten Raum abgetrennter Raum, der uns nicht zugänglich ist, weil die Räume von Himmel und Erde und Hölle durch ihr Sein in dem übergeordeneten Hyperraum getrennt voneinander sind.

Man mag auf solche Vorstellungen verzichten, weil sie einem zu spekultiv klingen. Aber bevor man sich dafür entscheidet, muß konzidiert werden, daß religiöse Vorstellungen, etwa von einem jenseitigen Himmel und einer unterirdischen Hölle verblassen und aus dem religiösen Bewußtsein verschwinden,wenn man sich bei diesen Vorstellungen nichts mehr denken kann. Wenn sie einmal an die anschauliche Vorstellung vom überirdischen Himmel und der unterirdischen Hölle verbunden waren, wobei der Stand der Erde oben von unten unterschied und das geht nur, wenn die Erde als Scheibe vorgestellt wird- für eine Kugel gibt es kein „Oben“ und „Unten“- dann muß der Gedanke eines Himmels und einer Hölle von dieser Anschauung emanzipiert werden, will man nicht dem heutigen Christen zumuten, in seinem religiösen Denken vor Kopernikus zu leben oder aber diesen ganzen Vorstellungskomplex aufzugeben.
Nur, was bleibt dann? Wer aufmerksam heutigen Beerdigungsansprachen zuhört, wird auffallen, daß das Gerede vom: „Nun ruht der Verstorbene im ewigen Frieden Gottes“ und seiner unendlich vielen Variationen kaum noch unterscheidbar ist von der Aussage, daß der Verstorbene einfach tot in der Erde liegt im Sinne von Epikur, daß mein Tod nie sein kann, weil wenn ich bin, mein Tod nicht ist und wenn mein Tod ist, ich nicht bin, sodaß mein Tod nie eintreten kann. Daß das Leben nach dem Tode das wahre ist, zu dem sich unser irdisches höchstens wie ein Vorspiel verhält, davon ist nichts mehr zu hören. Das wahre und eigentliche ist uns das Erdendasein geworden, als wären wir alle Nietzschejünger , und daß danach: nur noch ein blasses : In- Gott-Ruhen,von einem bloßen Nichtsein kaum unterscheidbar.

Wie anders denkt und glaubt die Kirche, wenn sie Mariä leibliche Aufnahne in den Himmel lehrt. Für sie endet das Leben nicht mit dieser Aufnahme in den Himmel, es ist nicht der wohlgeformte Endpunkt eines Gott wohlgefälligen Lebens sondern der Anfang ihrer Regentschaft im Himmel.Sie wird zur Königin des Himmels und somit auch der Erde. Es ist ein arger Mißbrauch der Intention der Ökomene, wenn unter ihrer Flagge vermeintlich Unzeitgemäßes um des Wohlwollens der Protestanten willen aus der Lehre der Kirche entfernt wird.

Für Rosenberg und viele andere ist das ganz einfach: Im Mittelalter und davor hatten die Menschen primitive Vorstellungen von Erde, Himmel und Hölle. Genußvoll weißt Rosenberg darauf hin, daß so mancher an den Konzilien und den dortigen Entscheidungen, den Dogmen Beteiligter nicht mal lesen und schreiben konnte, um die Unzeitgemäßheit dieser Dogmen herauszustreichen. Die Sachgemäßheit der Dogmen immer wieder aufs neue zu ergründen und zur Anschauung zu bringen, ist so eine bleibende Aufgabe der Theologie. Gelingt das nicht, dann darf man sich nicht wundern, daß immer mehr Teile des Glaubensgutes des Kirche erst zu unverstandenen Formeln werden, die dann Schritt für Schritt aus dem Glaubensbewußtsein verschwinden. Erst so werden sie dann zu leichten Opfern der Reformer: nicht mehr zeitgemäß! .

Uwe C. Lay
1Rosenberg, S. 133.
2Katechismus Nr. 326.

3Katechismus Nr. 1033.

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