Freitag, 19. Dezember 2014

Fundamentaltheologie auf Irrwegen

Märchenstunden der historischen Kritik
oder waren die christlichen Gemeinden PR-Organisationen?

Der Fundamentaltheologe M. Striet äußert sich so zu Weihnachten. „Bereits die neutestamentlichen Geburts-und Kindheitsgeschichten Jesu sind sichtlich bemüht, über diese Verkündigungspraxis hinaus auch die Besonderheit Jesu hervorzuheben. Zwar bleibt historisch nicht viel übrig, wenn man sich -zumal dem Weihnachtsevangelium, wie es sich bei Lukas findet-kritisch nähert. Die liebgewordenen Geschichten rund im das Jesuskind, das von einer Jungfrau während einer Volkszählung in einem Stall bei Betlehem geboren wird, entpuppen sich dem historisch-literarisch geschulten Blick als Erzählungen. Hier wird Theologie getrieben.“1
Das klingt beim ersten Lesen irgendwie bekannt und auch gar nicht irgendwie provokativ. Aber was wird uns da alles zugemutet? Historisch stimme also eigentlich an der Geburtserzählung nichts. Es ist eine Erzählung und das meint hier: ein fiktiver Text. Wer einen fiktiven Text interpretiert, frägt nicht, ob das etwa sich so zugespielt habe. Man kann vielleicht bei der Analyse von Goethes „Faust“ oder Thomas Manns „Zauberberg“ nach biographischen Bezügen fragen, aber die zentrale Frage lautet im Deutschunterricht ; was will der Dichter uns mit diesem Text sagen? Präsumiert ist dabei, daß es zuerst eine Autorenintention gäbe, daß der Autor dann den Text verfaßt habe, um die Intention in diesem Text auszudrücken und es die Aufgabe des Lesers nun sei, die dem Text zugrunde liegende Intention aus dem Text heraus zu destilieren. Der Text ist „wahr“, insofern und weil er authentisch die Autorenintention zum Ausdruck bringt. Fiktive Erzählungen schildern also nicht etwas wirklich Geschehenes, sondern erzählen etwas, um damit etwas auszudrücken. Was will so die Weihnachtsgeschichte ausdrücken? Aber bevor wir uns diese Frage von einem Fundamentaltheologen respondieren lasen, fragen wir zuerst: wie entstehen denn solche fiktiven Texte?

Eine einfache Geschichte aus dem politischen Leben soll das verdeutlichen. Wahlkampf-eine neue Landesregierung soll gewählt werden. Der Spitzenkandidat der Partei des Herrn Kreativ liegt abgeschlagen auf Platz 2 in allen Umfragen. Er wird die Wahl verlieren, wird übereinstimmend prognostiziert.Da hat der Herr Kreativ eine blendende Idee. Er setzt eine Pressekonferenz an. „Sensationelles“, kündet er an. Ja, gestern Abend ging er spazieren und er näherte sich der Brücke. Da, ein Schrei-ein kleines Kind stürzte vom Brückengeländer in den Fluß, in die tiefe Donau. Die Mutter schrie: Hilfe! Da sprang der Spitzenkandidat der Partei des Herrn Kreativ in die Fluten der Donau; er zog das kleine Mädchen aus dem Wasser-Rettung in letzter Secunde! Aber der Retter winkte ab: „Das ist doch selbstverständlich! Das hätte doch jeder Anständige auch so getan“ und verließ den Ort des Geschehens!
So ist der Kandidat unserer Partei-damit endet dieser Auftritt vor der Presse.

Was hat Herr Kreativ getan? Er ist fest davon überzeugt,daß der Kandidat seiner Partei der richtige Mann ist als zukünftiger Landesvater. Aber wie kann er nun andere davon überzeugen? Er erzählt eine Geschichte, die zum Ausdruck bringt, daß er den Kandidaten für den besten hält. Er erfindet ein Ereignis, in dem der Kandidat sich als das erweist, für den ihn der Erzähler hält. Die frei erfundene Begebenheit, der Errettung eines Kindes aus der Donau soll nun den Hörern zum Grund werden, daß auch sie den Kandidaten für den Besten halten. Man beachte diese Verschiebung: zuerst ist das die Intention: daß in einer Erzählung ausgedrückt werden soll, daß der Erzähler den Kandidaten für den Besten hält. Die Geschichte erzählt eine Rettungstat des Kandidaten, um ihn positiv zu qualifizieren. Der Leser soll nun diese Geschichte als wahr annehmen: so hat sich der Kandidat verhalten und daraus den Schluß ziehen, daß er der rechte für das Amt des Landesvaters ist. Aus der Geschichte, die nur ausdrückt, daß der Erzähler den Kandidaten für den besten hält, soll nun der Grund werden, daß man ihn für den besten hält. So liest der naive Leser diese Geschichte.

Was hat das nun mit Jesus und dem Neuen Testament zu tun? Viele gab es zu Zeiten Jesu, die sich als Messias verkündeten oder als Messias geglaubt wurden. Jesus von Nazareth war einer unter vielen Kandidaten. Da begannen die Urchristen, Geschichten von Jesus zu erzählen, die ausdrückten, daß sie ihn allein für den wahren Messias hielten. Alle Wundergeschichten des Neuen Testamentes sind so vergleichbar mit der vom Kandidaten, der das Kind vor dem Ertrinkungstode errettete. Sie erzählen keine wahren Ereignisse, sondern in ihnen drückt sich nur die besondere Wertschätzung der Urgemeinden aus. Fiktive Erzählungen, die aber „wahr“ sind als Manifestationen des Vertrauensglaubens an Jesu: er ist unser Retter. Die Geschichten werden aber erzählt, damit andere die erzählten Geschichten zum Grund nehmen, nun auch auf Jesus zu vertrauen, daß er der Messias ist. Eigentlich waren die Urchristen gute PR-Agenturen Jesu!
Der Fundamentalthologe ist nun aber selbst kein naiver Leser von „Wundergeschichten“. Er durchschaut ihren rein fiktiven Charakter. Für ihn ist das nur Literatur. Er frägt: was wollten die Erzähler damit zum Ausdruck bringen als die Wahrheit hinter dem Text, als die Autorenintention? Das rekonstruiert er und benennt das als die Wahrheit des Textes! Der Glaube, daß Jesus etwas Außergewöhnliches ist,das drücken die Weihnachtserzählungen aus. Nicht beweisen die Weihnachtserzählungen die Außergewöhnlichkeit Jesu, sondern sie setzen den Glauben an diese ´voraus, um dann secundär diesem Glauben erzählerisch zu entfalten. Als kritischer Leser erkenne ich so den fiktiven Charakter der Weihnachtserzählung und den wahren Kern, den urchristlichen Glauben an Jesu Außergewöhnlichkeit und ich stehe vor der Frage: will ich diesen Glauben teilen oder nicht? Nur, der Grund für den Glauben an Jesu Außergewöhnlichkeit hat die historisch-kritische Dekonstruktion der Weihnachtsgeschichte genichtet. Die Erzählungen begründen nichts mehr, sie drücken nur narrativ entfaltet urchristlichen Glauben aus!

Aus dem Alltagsleben. „Kennst du den?“-Ja, der arbeitet in der Stadtverwaltung, und ist verheiratet, 2 Madels und einen Buben. In der Feuerwehr ist er auch!“ Jemanden kennen, heißt, zu wissen, was er tut. Die Sphäre der Arbeit und sein Familienstand und seine Freizeitbeschäftigung-dies drei reicht, um ihn zu kennen. Dahinter steht ein bestimmtes Menschenverständnis: Der Mensch ist, was er tut. Selbstredend werden dabei wesentliche Tätigkeiten rapportiert, also Beruf und der Familienstand.
So hält es auch das Neue Testament. Jesus kennen, heißt wissen, was er tat.
Die Alternative:
Kennst du den?“ -Ja, das ist der Sohn von dem Egon Meier, der ja die Elisabeth geborene Aurich geheiratet hat- das sind die, von...“
Hier gilt der Grundsatz: einen Menschen kennen, heißt seine Herkunft kennen. Denn die Herkunft bestimmt den Menschen. Auch das praktiziert das Neue Testament.es erzählt von Jesu Herkunft, weil man ohne seine Herkunft zu kennen, ihn nicht kennen kann. Die „Erzählung“ von der Jungfrauengeburt ist so von eminenter Bedeutung, besagt sie doch, daß er von göttlicher Herkunft ist und daß seine Mutter, weil sie eine Jungfrau war, besonders tugendhaft war. Jungfräulichkeit ist ein äußerst komplexer Begriff, bedeutet er doch die Übernatürlichkeit seiner Geburt, aber auch, daß Maria sich jedes Mannes enthielt,um ganz nur für Gott dazusein. Aber neben dieser religiösen Bedeutung hat der Begriff auch eine moralische Bedeutung, der der tugendhaften Enthaltung. Aber was macht nun die „kritische“ Lektüre aus dem? Auch das sind freie Erfindungen des Urchristentumes, um so die Außergewöhnlichkeit Jesu auszudrücken.Sie sind nur wahr als Ausdruck des urchristlichen Glsaubens an die Besonderheit Jesu. Sie wurden aber erfunden, um damit anderen einen legitimen Grund zu geben, an Jesus zu glauben! Aber der kritische Leser durchschaut diese Verschiebung vom Ausdruckssein zum Grundsein des Vertrauensglaubens an Jesu. Nur, daß jetzt der Vertrauensglaube grundlos wird, denn alle Gründe, die die Bibel erzählt, sind nachträgliche Erzählungen, die nur das ausdrücken, was die Erzähler unabhängig von solchen Erzählungen schon glaubten.

Wer erinnert sich noch an die Märchenstunden der Irakkriege? Irakische Soldaten stürmen in ein Spital, in die Abteilung Frühgeburten. Mit tränenerstickter Stimme fuhr die kuwaitsche Krankenschwester vor laufender Kamera weiter:“Sie zerschlugen die Brutkästen, rissen die Kleinstbavbies heraus, warfen sie zu Boden-und dann: mit ihren Stiefeln zertraten sie sie-diese Bestiensoldaten!“ Ganz Amerika, geschlossen wie ein Mann, zog nun in den Krieg gegen den „Diktator“ Hussein, dem Babymörder. Niemand bestreitet mehr, daß diese Babymordgeschichte völlig frei erfunden wurde, von einer guten PR-Agentur der USA, um den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen.
Aber auch hier gilt das selbe. Am Anfang stand der Glaube an den bösen Diktator. Dann wurde eine Geschichte über ihn erfunden, die ausdrücken sollte, daß er wirklich ein böser Diktator ist, daß er selbst Babies umbringen läßt. Die erfundene Geschichte, die der Ausdruck des Glaubens ist, daß er ein böser Diktator ist, sollte nun für die amerikanischen Seher zum Grund werden, daß auch sie legitim glauben, daß Hussein ein böser Diktator ist. So funktioniert Propaganda.
In unserer Welt ist die Propaganda zum Alltagsgeschäft geworden, nicht nur der Politik. Um des guten Zieles willen das Unwahre sagen! Von dem Waschmittel Omo, das weißer wäscht als weiß, über „blühende Landschaften“ bis zur „Bionahrung“.Nur, dürfen und können wir davon ausgehen, daß auch die Menschen zu Zeiten Jesu schon ein so laxes Verhältnis zur Wahrheit hatten-und noch viel ärger: daß gerade die Schüler Jesu und die Urkirche PR-Agenturen waren, die kreativ drauflos phantasierten, um ihren Jesus öffentlichkeitswirksam zu vermarkten: von seiner Wundergeburt über seine Wundertaten bis zu seinem wunderbaren Wiedererscheinen nach seinem Tode? Denn das sind ja alles auch nur kreative Erzählungen Phantasiebegabter, um ihren Glauben an die Außergewöhnlichkeit Jesu auszudrücken.

Nur, was ist denn nun der Grund für den Glauben an Jesu Außergewöhnlichkeit, wenn bei Lichte gesehen, eigentlich alle Erzählungen über Jesu nur fiktive Erzählungen sind, die nur den Vertrauensglauben der Urchristen ausdrücken? Es gibt wohl keinen-außer dem völlig irrationalen, daß Jesu Mitmenschen so begegnete, daß sie an ihn glaubten. Die Schüler Jesu gleichen frisch Verliebten, die auch nicht sagen können,warum sie sich in den verliebt haben, in den sie sich verliebt haben.Denn alle Gründe, die sie nennen: darum liebe ich dich, sind secundäre Gründe-erst verliebt man sich und im Lichte des Verliebtseins findet der Verliebte dann die Gründe zum Verlieben, die es nur für ihn als Verliebten gibt.

So befremdlich es klingt, es ist so. Die historisch-kritische Dekonstruktion der Jesuerzählungen führt dazu, daß alle rationalen Gründe des Glaubens an Jesus als den Sohn Gottes sich auflösen als Täuschung: sie drücken nur aus, was unabhängig von diesen Erzählungen als Begründung des Glaubens geglaubt wird, und so wird der christliche Glaube völlig verirrationalisiert! Ein solcher Glaube kann dann wirklich nur noch rein subjektivistisch als :“Ich glaube das so!, aber du brauchst es nicht so zu glauben!, denn jeder kann ja glauben, was und wie es ihm gefällt,“ bekannt werden!
Das subsumiert dann der Fundamentaltheologe Striet unter dem Begriff des Christseins in der Moderne, in der die „Autonomie“ das höchste Gut des Menschen ist; Gemeint ist damit, daß die einstigen religiösen Wahrheiten nun von den Konsumenten frei erwählt werden können, ganz nach dem individuellen Geschmack.2 Bedenkenswert ist dabei, daß eine wissenschaftliche Methode gerade der Verirrationalsierung des Glaubens der Kirche Vorschub leistet!
1Striet, M., Der gute Gott, in Christ in der Gegenwart, 51/2007.

2Vgl: Striet.M., Kirche im Wandel?!, Impulsreferat Diözisanversammlung Freiburg 25-28.April 2013.

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