Mittwoch, 3. Dezember 2014

Wider den Biblizismus-für das Begreifen

Über die kontaminierte Theologie
oder : Bibel und Theologie

Wer verbreitet die Irrlehre von der Unsterblichkeit der Seele?““ kann man im Internet lesen und wird dann auch fündig! Der Teufel sei der erste Urheber der 1515 vom 5. Laterankonzil dogmatisierten Lehre. Weniger polemisch: diese Lehre kenne die Bibel nicht, sie sei erst später, im 3 Jahrhundert in die Kirche eingeflossen und habe dann das theologische Denken kontaminiert. Schuld ist natürlich die Philosophie:statt daß auf die Bibel gehört würde, hätte man der Philosophie den Eintritt in die Kirche gewährt und die habe dann die Theologie korrumpiert.Das kann man dann auch etwas feinsinniger deuten als Einpassung der Theologie in ihre Zeit, daß sie dann auch Aushilfen und Anleihen bei der Philosophie nahm, um auf der Höhe der Zeit zu sein. Luther soll dann der große Reiniger der Theologie gewesen sein, der sie aus der Überfremdung durch philosophisch-scholastisches Denken befreite und zum schlichten Bibelglauben zurückfand. So weit diese Klischees, die zwar wenig mit der historischen Wirklichkeit zu tun haben, sich aber größter Beliebtheit erfreuen, nicht nur im evangelischen Raum.
Seit den 20er Jahren erhob sich dann im Protestantismus die Forderung der Entplatonisierung des Christentumes, die nach der Exkommunizierung der Lehre von der Unsterblichkit der Seele. Carl Stange, Althaus, aber am bedeutesten Karl Barth und abschließend: Jüngel in seinem zu dieser Frage zum Standartwerk avancierten Buch: Tod. Und da es eine der Lieblingsbeschäftigungen katholischer Theologen geworden ist, sich vom Protestantismus inspirieren zu lassen, fand diese Parole dann auch in katholischen Kreisen Nachahmer.
Erstmal scheint das alles sehr einfach: da gibt es die Bibel und dann die Idee, Philosophisches dazuzunehmen- und das wäre eigentlich schon die Ursünde der Theologie. Nicht nur die Zeugen Jehovas sehen das so, auch so mancher Student der Theologie, sieht er sich mit der Schwierigkeit philosophischen Denkens konfrontiert. Reicht es nicht,zu glauben und zu handeln und das Denken den Pferden zu überlassen!
Aber die Kritik an der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist nun nicht ein Privilegium bildungsfindlicher Biblizisten sondern selbst ein philosophisches und theologisches Programm. Die Abkehr von der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gründet sich nämlich selbst in dem Wandel des philosophischen Denkens. Erst wurde diese Vorstellung aus der zeitgenössischen Philosophie entfernt als nicht mehr sachgemäß-man denke hier nur an Nietzsche und Marx-und daß sie heuer nur noch randständig vertreten wird, seitdem Platon und seine „Schüler““ fast nur noch ideengeschichtlich interessiert studiert werden.Also nicht eine Entfernung der Philosophie wird gefordert, wenn die Entplatonisierung eingefordert wird und damit zuallererst immer auch der Verzicht auf die Vorstellung vom Selbststand der Seele, sondern nur, daß sich die Theologie von ihrer Synthese mit dem Platonismus befreien soll, um sich dann neu mit anderen philosophischen Richtungen zu verehelichen, etwa R.Bultmann und K.Rahnrer mit der Philosophie Heideggers, oder ganz zeitgemäß mit dem Feminismus oder fast schon wieder aus der Mode gekommen mit dem Marxismus, die Theologie der Befreiung. So ist ja auch die Alternative zur Vorstellung des Sterbens als der Trennung von Leib und Seele der Ganztod selbst eine Vorstellung, die auf einer materialistischen Philosophie sich fundiert; daß die Materie das Primäre und das, was wir Seele nennen, nur eine besondere Selbstorganisationsgestalt der Materie sei. Geist und Seele seien so Phänomene der Materie. Aber das theologische Argument ist nun doch für sich zu würdigen. Es ist ein rein evangelisches und antikatholisches! Das ewige Leben soll nur ein Gnadengeschenk Gottes sein, und dem würde die Vorstellung, daß der Mensch sich im Tode ganz auflöse und nichte, und von Gott ganz neu kreiert wird am besten gerecht. Denn gäbe es eine unsterbliche Seele, dann verdankte der sich der Mensch des ewigen Lebens-er wäre sozusagen von Natur aus ewig lebend und weil die Unsterblichkeit eine natürliche sei, wäre es keine göttliche Gnade, ewig zu leben. Um des „allein aus Gnaden“willen, müsse so die Natur genichtet werden Diese Aufgabe übernimmt der Tod dankenswerterweise, sodaß dann die göttliche Gnade allein ihr Werk vollbringen könne, den Menschen ganz neu zu schaffen zum ewigen Leben. Nicht nur K. Barth sieht so in der platonischen Seelenlehre nicht einfach eine philosophische Kontaminierung einer eigentlich rein biblisch denken sollenden Theologie, sondern einen Fremdkörprer, der nicbt mit der reformatorischen Rechtfertigungslehre kompatibel sei. Daß der Mensch aber nur aus Gnade gerechtfertigt werden würde, sodaß die Natur des Menschen daran nicht beteiligt wäre, ist nun selbst eine maßlose Übertreibung der Reformatoren.
Aber etwas anderes deutet sich damit an: wenn es zur Natur des Menschen dazugehört, zu sterben und wenn dies Sterben der Ganztod des Menschen ist, dann erscheint das ewige Leben des Menschen plötzlich als etwas Unnatürliches, nicht zur Natur des Menschen Passendes. Die Ganztodtheorie versöhnt sozusagen den Menschen mit seinem Todesschicksal, indem es den Tod als das Natürliche imaginiert und die Vorstellung von einem ewigen Leben als einen Zusatz auffaßt, als ein Zusatzgeschenk Gottes an den Menschen, worauf der Mensch als Mensch auch verzichten könnte, indem er sich mit seinem natürlichen Leben zufrieden gibt.

(So wurde mir in meiner Zeit als evangelischer Vikar von meinem Ausbildungspfarrer sehr energisch empfohlen, auf Beerdigungen nicht von der Auferstehung der Toten oder gar von einen ewigen Leben zu predigen, da an so was Mythologisches sowieso Niemand mehr glaube und es auch theologisch nicht in Ordnung sei, weil wir Menschen mit dem, was Gott uns gebe, mit unserem endlichen Erdenleben uns zufrieden geben sollten, statt noch ein ewiges Leben von ihm einfordern zu wollen!)

Wenn es die Natur des Menschen wäre, endlich zu leben, dann wäre ja ein ewiges Leben wirklich etwas Widernatürliches und somit dem Menschen Widersprechendes. Und somit wird aus dem Gnadengeschenk des ewigen Lebens, das wir nicht unserer menschlichen Natur sondern allein der göttlichen Gnade verdanken, etwas so der Natur des Menschen Inkompatibles, daß wir es um der Natürlichkeit willen auch dankend ablehnen-vulgär formuliert: es sei doch auch gut, daß das Leben mal zu ende geht, so schön es auch ist.
Also, es ist nicht einfach eine reine Purifikationsmaßnahme, wenn die Exkommunizuierung der platonischen Seelenlehre gefordert wird, etwa von Jüngel, sondern auch der Wille zur Einpassung in die jetzige Philosophie. Es ist auch ein Versuch der Radicalisierung der reformatorischen Vorstellung vom: allein aus Gnade“ auf die Anthropologie: der Mensch dürfe nicht natürlich als unsterblich gelten, damit sein ewiges Leben er allein der göttlichen Gnade verdanke. Die eigentliche Pointe dieser Entplatonisierung liegt aber wohl darin, so den Menschen mit seiner „natürlichen“ Endlichkeit auszusöhnen, indem das „ewige Leben“ nun als etwas zur Natur des Menschen Inkompatibles zu stehen kommt. Der Mensch soll sich materialistisch denkend so sehr als Teil der Natur denken, daß ihm sein Sterbenmüssen und sein Todsein als etwas Natürliches und somit Gutes vorkommt.
Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird dagegen das Sterbenmüssen stets als etwas der Natur der Menschen Inkompatibles begreifen und so gerade erst das ewige Leben als das dem Menschen gemäße ansehen. Um der großen Parole Nietzsches, der des Aufrufes zur Treue zur Erde gerecht zu werden, soll so der Mensch zu einem natürlich sterblichen Wesen umgedeutet werden.
Jesu Tempelreinigung, die Austreibung der profanen Händler aus dem heiligen Tempel kann so nicht als das Urbild der Reinigung der Theologie vom philosophischen Denken gedeutet werden.Denn es ist mehr eine Parole der Einpassung an das jetzige philosophische Denken als das eine Praxis einer Rückkehr zum rein biblischen Denken.

Aber wie paßt denn nun das philosophische Denken zu dem biblischen? Wie paßt das, was uns die hl. Schrift sagt zu dem, was wir unter der Lehre von der unsterblichen Seele verstehen? Einfach wäre ja diese Vorstellung, daß die Bibel uns ein in sich konsistentes Bild vom Menschen entwirft, zu dem auch das gehört, was wir dann philosophisch die Unsterblichkeit der Seele nennen und wir einräumen, daß dieser Begriff so nicht in der Bibel vorkommt, aber der Sache nach wäre das damit gemeinte enthalten. Ist also das damit Gemeinte in der Bibel und nur der Begriff von ihm nicht vorhanden? Oder sollten wir es anders sagen: wenn wir das in der Bibel über den Menschen Ausgesagte begreifen wollen, dann können wir das nicht ohne die Anwendung dieses Begriffes. Die Aufgabe des Begreifens des Zeugnisses der Bibel würde uns sozusagen den Begriff der unsterblichen Seele aufnötigen! Denn wir sollen ja die Bibeltexte nicht nur lesen, sondern auch begreifen. Das philosophische Denken wäre so nicht etwa nur eine Vorstufe für die biblischen Wahrheiten, etwa im Schema von natürlicher philosophischer und übernatürlicher biblischer Wahrheit, sondern selbst ein Medium, in dem das Biblische erst recht begriffen werden kann.
Veranschaulichen wir uns dies an einem allseits bekannten Problem: Jesus sagt, am Kreuze, zum reumütigen Sünder: „ Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“
Hier soll sich nun auf diesen Teil der Verheißung kapriziert werden, daß der reuige Sünder heute noch im Paradies sein wird. Der Zusatz, mit mir soll hier unberücksichtigt bleiben. Das verlangte eine eigene Untersuchung. Der reuige Sünder stirbt am Kreuze-einen grauenhaften Tod- und dann wird er begraben. Wie kann von ihm zugleich ausgesagt werden, daß er am Kreuze starb und dann wie auch immer beerdigt wurde und daß er zugleich im Paradies,im ewigen Leben ist?
Die Realität des Todes kann nicht geleugnet werden- es gibt keinen Hinweis darauf, daß er, gestorben am Kreuze „entrückt“ worden wäre, wie die Mutter Gottes und so leiblich in den Himmel aufgenommen worden wäre. Er ist also begraben worden. Wie kann er zugleich begraben sein und im ewigen Leben sein? Diese Frage kann man nicht ohne die Annahme eines Dualismus von Leib und Seele beantworten. Wollte man nun sagen, er wäre ganzheitlich gestorben mit Leib und Seele, dann müßte auch hier das Grab-wie das von Jesu -leer gewesen sein,weil er dann mit Leib und Seele ins Paradies entrückt worden wäre. Aber in diesem Falle ist uns von einem leeren Grab nichts bekannt. Also: der Leib ist tot im Grabe und die Seele ist lebendig im Paradiese. Denn Jesus sagt ja nicht: Du wirst jetzt am Kreuze sterben, aber am Ende der Zeiten werde ich dich von den Toten auferwecken, sodaß du dann im ewigen Leben sein wirst. Jesus spricht hier keine futurische Verheißung aus: so wird es nach dem Ende aller Zeiten sein...sondern: heute!
Die Seele des am Kreuze Verstorbenen ist im ewigen Leben, obgleich der Leib im Grabe tot ist und der Verwesung unterworfen ist. Die göttliche Gnade besteht nun darin,daß Jesus die Seele in den Himmel aufnimmt. Wo wäre sie, wenn sie nicht im Paradies wäre? Auch darauf gibt uns die Bibel eine klare Antwort, Sie wäre in der Scheol, dem Totentreich. Auch hier unterscheidet die Bibel den Ort des Begrabenseins von dem Ort Scheol-weitestgehend identisch mit der griechischen Vorstellung vom Hades. Auch dies impliziert die Vorstellung der Trennbarkeit von Leib und Seele. Der Leib ist im Grabe, die Seele im Totenreich der Scheol. Das Totsein wird dann tiefgündiger als es das bilologistisch-materialistische Denken vermag, als ein wirkliches Sein im Tode begriffen: die Seele ist im Hades und erleidet das Todsein als das radicale Getrenntsein von der Welt des Lebens. Wäre das Todsein die völlige Nichtung des Menschen, wäre ja kein Subjekt mehr, von dem prädiziert werden kann, daß es tot ist-es gäbe so mein Todsein gar nicht. Die Scheol bzw die griechische Vorstellung vom Hades sind so nicht primitive Vorstellungen vom Todsein, die es aufzuklären gilt und damit zu negieren. Sie sind der adäquate Ausdruck der Einsicht, daß mein Tod, damit es ihn als den meinigen gibt, ein Subjekt voraussetzt, das das Todsein als sein Todsein sich selbst zuschreiben kann. Das drückt die Scheolvorstellung aus. Dies Subjekt ist gerade meine Seele, die in der Scheol ihr Getrenntsein vom Leben als den meinigen Tod erleidet.
Die Seele als das von seinem Körper Getrennte ist das Subjekt, das den Tod in der Scheol oder im Hades als den seinigen Tod sich zuschreibt und so erst den Tod als meinen Tod ermöglicht und das ewige Leben im Paradies als mein ewiges Leben ermöglicht. Damit das ewige Leben im Paradies wie auch das im Hades wirklich meines ist und nicht das eines anderen Iches, das an meine Stelle tritt, konstituiert das Ich, das sich identisch bleibt, die Identität zwischen dem Ich des prämortalen Lebens und des postmortalen als Sein in der Scheol oder im Himmel. Diese sich durchhaltende Identität des Iches, daß es mich vor und nach dem Sterben gibt,meint dann das, was der Begriff der unsterblichen Seele besagt.
Ohne diesen Begriff werden uns erst die biblischen Aussagen über das postmortale Sein in der Scheol wie die über das Sein im Paradiese gleich nach dem Tode zu unbegreiflichen Vorstellungen, die wir dann umformen müssen, damit sie zu etwas Verstehbaren werden.Die plumpeste Übersetzung ist dabei die in die vulgär-materialistische Vorstellung des Ganztodes. Aber in dieser Vorstellung ist gerade der Tod als mein Tod nicht mehr begreifbar zu machen.Wenn so übersetzt wird, geht gerade der Gehalt des Zuübersetzenden verloren.
Der Begriff der unsterblichen Seele ist so unverzichtbar, weil nur durch ihn so Kernaussagen der hl. Schrift über uns Menschen begriffen werden können. Ohne diesen Begriff können die dualistischen Aussagen über den Menschen, daß er im Grabe ist und zugleich in der Scheol oder im Paradiese ist, nicht begriffen werden, wenn auch die Identität des Gestorbenen mit dem, was in der Scheol oder im Paradies als meine postmortale Existenz ist, gedacht werden muß.

Wird auf diesen Begriff verzichtet, triumphiert faktisch eine materialistische Philosophie mit ihrer Vorstellung vom Menschen als eines rein diesseitigen Wesens, für das es weder den Tod noch ein Leben nach dem Sterben gibt. Aber es ist fraglich, ob eine solche philosophische Sicht des Menschen auch nur seinem irdischen Leben gerecht werden kann. Der Mensch kann autobiographisch reden. Aber was sind die Ermöglichungsbedingungen dafür, daß er eine Autobiographie schreiben kann, daß da ein Ich auftritt, das das Subjekt aller Prädikate der Ichrede ist: ich tat das und das ...wobei das Ich ein immer sich gleich bleibendes ist? Kann dieses Ich aus meinem Leben als entstanden gedacht werden? Daß da erst kein Ich war und daß es erst durch Ereignisse wurde? Aber ein Ereignis wird erst durch das Ich zu meinem Ereignis. Erst die Subjktivität des Iches individualisiert mir Widerfahrenes zu einem Ereignis meines Lebens. Ohne die Präsumption eines Iches, das vor allen Ereignissen meines Lebens ist, damit es meine werden, könnte es mein Leben gar nicht geben.Dies allem vorausgeetzte Ich ist ontologisch gedacht die Seele, die das Leben erst zu dem meinigen Leben macht. Und genau dies Ich erweist sich in der autobiographischen Rede von meinem Tod als das Ich, das sich auch noch im Tode durchhält, um den Tod wie das Leben zu meinem zu machen. Ohne diesen Begriff wird so unser menschliches Leben sehr viel ärmer-wir verlieren uns in den Ereignissen und Widerfahrnissen, weil wir uns als das Subjekt all dessen nicht mehr adäquat begreifen können. Gerade weil uns die hl. Schrift als ein zu Begreifendes gegeben ist, kann das theologische Denken nicht auf philosophische Begriffe verzichten.  

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