Montag, 16. Februar 2015

Der katholische Roman?

"Es gibt keine katholischen Helden, die am Ende des Buches den glorreichen Sieg davontragen. Mosebach selbst verbleibt in seiner oft ironischen und amüsierten Distanz. Das sollen Werke eines traditionsbewußten Katholiken sein? Gibt es denn zwischen den Romanen [Mosebachs] und den vielbeachteten religiösen Essay-Bänden ("Häresie der Formlosigkeit", "Der Ultramontane") gar keinen Zusammenhang?" frägt B. Deneke in seiner Rezension von Steffen Köhler, Martin Mosebach: Der katholische Roman. (Theologisches 1/2 2015, Sp.95)  Gibt es denn überhaupt noch Katholische Romane und Romane, deren Protagonisten Helden sind? 
Helden in zeitgenössischen Romanen? Ja, Jerry Cotton in der gleichnamigen Kriminalheftromanserie, Professor Zamorra in der gleichnamigen  Gruselromanserie und natürlich Perry Rhodan, über 2700 Fortsetungsromane der größten Zukunftsromanserie der Welt... und Westernhelden-ach ja und früher die unvergessenen Karl May Romane mit ihren Helden. Betrachten wir uns diese Aufzählung an, ein Eindruck drängt sich uns förmlich auf: Helden gibt es nur noch in der Trivialliteratur! Ein kurzer Vergleichsblick auf zu der Hochliteratur: Helden-nicht vorhanden. Bei Thomas Bernhard, Peter Handke, Botho Strauß, um nur die bedeutsamsten deutschsprachigen Gegenwartsliteraten zu vergegenwärtigen: in den von diesen Autoren verfaßten Romanen ist kein Platz für Helden und somit auch nicht für katholische Helden! Ja, die anerkannte Weltliteratur kennt seit den Klassikern eigentlich keine Helden mehr! Man suche einmal Helden bei Goethe, Schiller, der Romantik...Totale Fehlanzeige. Der letzte Held der zur Hochliteratur gezählten Literatur ist "der Ritter von der traurigen Gestalt"-danach gibt es nur noch problematische Protagonisten in der Weltliteratur, die Gedankenmenschen Thomas Bernhards, die "Gescheiterten" Kafkas, und auch in dem genialen rissischen Schriftsteller Dostojewskij will sich ein positiver Held nicht finden...Die Buddenbroks von Thomas Mann-hier ist das Scheitern, die Darstellung des Niederganges schon programatisch...
Den positiven Helden gibt es nur noch in der Trivialliteratur-und jetzt erlaube ich mir einen Anfangsverdacht: wenn in einem Roman ein positiver Held auftritt, "der am Ende des Buches den glorreichen Sieg davonträgt, dann ist das schon ein Indiz dafür, diesen Roman der Trivialliteratur zuzurechen.  
In Wikipedia liest sich das so. Was sind die Merkmale der Trivialliteratur:
Trivialliteratur ist eine Form literarischer Unterhaltung. Mit dem Begriff wird seit den 1920er Jahren der Bereich der populären, häufig als minderwertig angesehenen Massenliteratur bezeichnet. In einer groben Gliederung der Literaturin die drei Felder Dichtung/HochliteraturUnterhaltungsliteratur und Trivialliteratur wird Letztere als die mit dem geringsten literarischen Anspruch angesehen. Allerdings sind die Übergänge zwischen diesen Kategorien fließend. So können einige Werke je nach Betrachtung in die eine oder andere Stufe eingeordnet werden. 

Kriterien und Merkmale

Die Trivialliteratur widmet sich in einer vereinfachenden, klischeehaften und oftmals eine „heile Welt“ vorspiegelnden Weise Themen wie LiebeTodAbenteuerVerbrechenKrieg usw. (KitschSchundliteratur). In Sprache, Verständlichkeit und Emotionalität ist sie so strukturiert, dass sie den Erwartungen eines großen Massenpublikums gerecht wird (indem sie diesem eine schöne Welt mit einer klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse vorstellt). Das wesentliche Merkmal ist in diesem Sinne, dass sie den Erwartungshorizont des Lesers nicht durchbricht. Dadurch kommt es zu einer Bestätigung (Affirmation) bestehender Meinungen, Gesellschaftsbilder usw., während dagegen die Hochliteratur eine Auseinandersetzung mit gängigen Vorstellungen und Denkweisen anstrebt. Deshalb existiert als weiteres Synonym für Trivialliteratur auch der Begriff affirmative Literatur (als Gegensatz zu kritischer Literatur). (Wikipedia, Trivialliteratur)
Beachten wir die Kriterien: klare Unterscheidung von Gut und Böse, sie spielen eine "heile Welt" vor, sie zeigen eine "schöne Welt" auf, sie sind klischeehaft und verhalten sich zu den Werten und Normen der Gesellschaft affirmativ. Die Hochliteratur dagegen ist "kritisch" gesellschaftskritisch. Wir sehen eines: damit ein positver Held in einem Roman möglich wird, muß in ihm eine klare Unterscheidung von Gut und Böse geben, ist die Welt, indem der positive Welt am Ende siegt, eine heile Welt. Die Werte von Gut und Böse, Schön und Häßlich werden in der Erzählung affirmiert und strukturieren  so den Handlungsraum des positiven Helden. 
Als weitere Kriterien der Trivialliteratur benennt  ... 
  • einfache sprachliche Strukturen
  • einfache inhaltliche Strukturen
  • ausschließlich auf Unterhaltung orientiert
  • Ansprechen der Gefühle des Lesers
  • bildhafte Sprache, die zuweilen klischeehaft wirkt
  • Handlungsfiguren, die ein- und demselben Raster entsprechen
  • Handlung, die nach vorgefertigten Mustern gefügt ist
  • wenige Themen: Liebe, Abenteuer, Kriminalfall, Schauergeschichte

  • (schuelerlexikon Basiswissen Deutsch, Trivialliteratur)
Zu beachten ist hierbei insbesondere das Kriterium des die Gefühle des Lesers Ansprechen. Hochliteratur spricht dagegen die cognitive Seite des Lesers an. Und: das "Einfache" ist das Trivialle.Auch die Themem konstituieren den Trivialroman:Liebe, Abenteuer und der Kriminalfall. Und der Schaurroman. Welche Themen bleiben dann noch für die Hochliteratur übrig nach dieser Liste des: das geht nicht?
Über das ungekrönte Haupt des Liebesromanes, dem Inbegriff des Kitschromanes, Hedwig Courths Mahler weiß der Spiegel zu schreiben: 
"Für die deutsche Leidkultur hatte sie nicht viel übrig: "Das Schlaffe und Krankhafte" in Thomas Manns "Tod in Venedig" stoße sie ab, mäkelte die Autorin; besonders der letale Schluss sei doch "sehr niederdrückend". Zugegeben, Kollege Mann sei "außerordentlich begabt", doch schreibe er leider nur über "Verfall, immer wieder Verfall". Sie selbst schluckte und produzierte dagegen lieber literarische Aufbaunahrung: "Ein Roman", so Hedwig Courths-Mahler, "soll doch erquicken und stark und frisch machen, aber nicht krank und nervös."
Nach dieser Devise fertigte die Schriftstellerin Hedwig Courths-Mahler (1867 bis 1950) all ihre Texte - insgesamt über 200 Romane fast ohne Risiken und Nebensätze, aber voller Schwulst und garantiert mit Happy End. Damit wurde Courths-Mahler zur erfolgreichsten deutschen Autorin aller Zeiten; Gesamtauflage: über 80 Millionen. Noch heute verkauft der Lübbe-Verlag rund 70 000 Courths-Mahler-Romane pro Jahr;". (Spiegel-Online, 47/2000)
Es ist so, als wenn die "Dreieinigkeit" von dem Guten, Schönen und Wahren in die Trivialliteratur ausgewandert werde, während die Hochkultur nur noch "Negativprotagonisten" kennt! Man suche einmal bei dem französischen Starautoren Houellebecq nach einem einzigen posítiven Akteur. Die Protagonisten seines Romanes "Elementarteilchen"? Drei begehen Selbstmord und der vierte landet in der Psychatrie! Und wenn der Liebesroman von Liebe schreibt, dann die Hochkultur von Sex-spätestens seit Marquise de Sade! 
Es mutet jetzt sehr klischeehaft an, wenn der Verdacht geäußert wird, daß der bürgerliche Roman (vgl G. Lukacs) eben als sein Thema den Zerfall der bürgerlichen Ordnung hat und so das Kritisch-Negative den Roman ausmacht, während die Bejahung der bürgerlichen Ordnung und Welt nur noch in der Trivialliteratur vorkommt, weil sie nur da noch ihren Platz hat.
Man kann nicht umhin, daß ein katholischer Roman zumindest von der Tendenz her an diesen Negativkriterien des Trivialen partizipiert, es sei denn er wäre selbst eine Problematisierung der Katholischen Existenz, ein sich zum Katholischen kritisch verhaltender Roman.
Könnte es sein, daß mit dem Auszug der gebildeten Verächter der christlichen Religion (man denke an den protestantischen Theologen Schleiermacher) auch der Auszug der Hochliteratur aus dem Vorstellungsrsaum der christlichen Religion begann? Dem Typus christlicher Literatur schlechthin, der Heiligenlegende wird heuer ja nur noch Verachtung entgegengebracht und kein Heiligengedenktag in der Kirche, ohne daß der Priester auf den völlig unhistorisch rein legendarischen Charakter der Heiligenvita verweißt!  
Dem aufmerksamen Leser fällt zudem auf, daß die Kritik an der Trivialliteratur zwei ganz unterschiiedliche Traditionen synthetisiert: a) eine linke Literaturkritik, der ein Roman nur wertvoll ist, insofern und inwieweit er gesellschaftskritisch ist, sodaß jede stattdessen affirmativ eingestellte Kunst perhorresziert wird und b) einer elitären Literaturkritik, der alles, was von Massen gelesen und geschätzt wird, schon allein  deshalb negativ ist, als wäre der gute Geschmack immer nur das Privilegium der Wenigen und der Masse sei es zu eigen, das Triviale zu lieben. Sage mir, was massenhaft gelesen wird, und ich sage dir, was trivial ist.
Deutlicher wird hier dieser Hedwig Courths Mahler Kritik:
"Ihre Werke folgen allgemein dem gleichen Muster: Sozial Benachteiligte überwinden Standesunterschiede durch die Liebe. Die Liebenden kämpfen gegen allerlei Intrigen und finden schließlich zueinander, erlangen Reichtum und Ansehen. Trotz der ständigen Kritik an den Klischees in ihrem Werk und der aus heutiger Sicht konservativen Ansichten der Autorin über das männlich-weibliche Rollenverhalten finden ihre Bücher bis heute eine breite, vor allem weibliche, Leserschaft."
Also: zwei Negativa: daß Frauen den sozialen Aufstieg durch Liebe, also eine Liebesheirat schaffen, ist jeder linken Literaturkritik ein malum in se. Schon dem genialen Film "Metropolis" von Fritz Lang wurde kritisch vorgeworfen, er schüre Sozialillusionen, weil er die Versöhnung von Arm und Reich in der Lieb, im Herzen verorte, statt im Klassenkampf oder zumindest der politischen Reformarbeit. Aber noch schlimmer sind conservative Ansichten über das Geschlechterverhältnis von Mann und Frau. Daß Frauen immer noch soetwas statt feministischen Romanen lesen, zeigt dann dieser Literaturkritik, wie nötig der Kampf gegen solche conservative Literatur ist. 
Noch eines: es überwiegt die weltanschauliche Kritik-die literarische wiederholt papageienhaft immer nur, daß der Stil zu einfach und zu klischeehaft sei-ohne daß Kriterien für das Zueinfache und Klischeehafte benannt werden! Sollte vielleicht doch einfach das Weltanschauliche das Kriterium der Verurteilung sein, daß diese so geschmähte Literatur eben nicht dem Ideal des Gesellschaftskritischen genüge tut?  Und daß dieser Literaturkritik eben ein christlicher Roman immer etwas Kitschiges sein muß. weil er eben religiös ist. 
Auch hier gilt es aufzumerken: warum ist denn das Ziel des Unterhaltens etwas Negatives? Oder zumindest, wenn nur das Ziel des Unterhaltens erstrebt wird? Es gibt darauf wohl nur eine Antwort. Wer jeder Kunst primär das Ziel der moralischen Belehrung und Aufklärung zuspricht, dem muß der Unterhaltungsroman das rein Negative sein.  Das gilt nur, wenn nur die im weitesten Sinne des Wortes politisch engagierte Literatur, wie Brecht und Sartre gute Literatur ist. Aber gerade das führt auch dazu, daß es den religiösen Roman nicht mehr als Hochliteratur geben kann, wenn das Gehaltvolle und Niveauvolle die (politische) Gesellschaftskritik sei!  
Aber fragen wir doch einmal ganz anders! Könnte nicht der so viel geschmähte Kitsch auch eine Spur der Erinnerung an das verlorene Paradies sein? Könnte Kitsch einen religiösen Gehalt haben, der gerade deshalb verurteilt wird, weil die politisch-realistische Literatur die Versöhnung allein von einem gesellschaftskritischen Engagement erwartet und deshalb jede andere Gestalt der Versöhnung und Erlösung, das Gute Ende, ablehnt? Gehört nicht zu jeder Religion die Unterscheidung von Gut und Böse und der Glaube an den Sieg des Guten? Kitsch könnte dann auch ein Ausdruck der Sehnsucht nach einer heilen Welt sein, der sich durch die Erfahrung des Unheilszustandes der Welt legitimiert.
Um zurück zu kommen auf die Frage: wie katholisch sind die Romane von Mosebach, könnte nun eine enttäuschende Antwort gegeben werden:um nicht in den Ruf zukommen, Kitschliteratur zu produzieren, Trivialromane, kann heuer kein Autor mehr katholische Romane verfassen , außer als Kritik des Katholischen! Wie ein Roman zu schreiben ist, ist eben nicht ein autonomes Projekt jedes Literaten, sondern auch er ist eingebunden an Formvorgaben des Schreibens von Literatur. Nennen wir das einfach mal die Eigengestzlichkeit des Romanes. Und der bürgerliche Roman kennt eben keine positiven Helden mehr, sie gehörten der Vormoderne mit  ihrem christlichen Weltbild an!Und die politisch sozialkritisch engagierte Literatur kennt schon gar keinen positiven Helden, weil sie qua Ideologue das Heil nicht von Helden-große Männer machen Geschichte-sondern von politisch agierenden Massen oder in Initiativen Organisierten erhofft. 

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