Mittwoch, 4. Februar 2015

Unsere Zeit begreifen-ein Versuch

Annäherungen an ein unbegriffenes Phänomen: die Postmoderne

Einst war die Vorstellung des Fortschrittes einfach und naiv. Da soll es Zeiten geben haben, wo die Erde eine Scheibe war und nicht nur jeder Seefahrer in Sorge war, dem Rand zu nahe zu kommen und so in die Gefahr, abzustürzen, wohin auch immer, sondern auch jede Mutter ihren Buben ermahnte, nicht zu weit fort zu laufen, er könne sonst herunterfallen von der Erdenscheibe. Dann wurden die Menschen aufgeklärter: die Erde ist eine um die Sonne sich drehende Kugel und fort weggewischt war auch die Angst vor dem Sturz ins Bodenlose. Erkenntnisprogreß und Abbau von Angst schreiten hier Hand in Hand voran zu einer sich humanisierenden Welt. Selbstredend wußte man auch von Opfern und Rückschlägen im unaufhaltsamen Strom des Forschrittes: so, wenn die Musikgruppe Pudddys etwa den Mythos von Ikarus, daß dem Menschen Grenzen gesetzt sind, die er nicht überschreiten dürfe, sonst stürze er ab, umdeutet, daß Ikarus, auch und gerade weil er im Aufstieg der Sonne zu nahe gekommen, abstürzte, der Erste war, der den Weg zur Luftfahrt eröffnete und sein Tod uns Mahnung ist, es beim nächsten Male besser zu machen.

Postmodernes Denken ist ein Haltung nach dem Ende dieses Fortschrittsglaubens. Naturwissenschaftlich- technisches Progressieren geht nicht mehr Hand in Hand mit einem Abbau von Lebensangst. Die selbe Technik, mit der der Mensch sich die Unbilde der Natur vom Halse schaffen wollte, daß der moderne Mensch selbst im strengsten Winter noch im wohlgewärmten Wohnzimmer sitzen kann dank künstlichen Heizens, wird ihm zur Quelle von neuen Ängsten. Der Durchschnittsmensch ist in seinem Lebensalltag permanent umgeben von technischen Artefakten, die er wohl noch zu bedienen weiß, von der Fernbedienung bis zum Computer, deren Funktionsweise, wie geht das?, ihm aber nicht mehr begreifbar ist. War dem Menschen einst unaufgeklärt, unwissend die Natur ein unbegriffenes Gegenüber, so schuf er sich nun eine Technik zum Begreifen und Gestalten der Natur, die ihm nun selbst zur zweiten Natur geworden, zur unbegreiffenen Lebenswirklichkeit wurde. Adorno und Horkkeimer zogen daraus weitgehende Konsequenzen in ihrer Kritik der Aufklärung.Aber die Zeit ist auch über sie hinweggegangen.

Die großen Erzählungen, die des Fortschrittes, die der Emanzipation der Menschheit verloren ihre Glaubwürdgkeit, konstatiert Lyotard und nimmt damit auch Abschied von dem Grundaxiom linker Weltsicht: daß es ein natürliches Fortschreiten der Menschheit zu immer größeren Humanität gäbe und daß Konservative Menschen seien, die einen einmal erreichten Stand des Fortschrittes konservieren wollen, um nicht im Gefolge weiteren Progressierens Privilegien zu verlieren, die sie just dem jetzt erreichten Stand des gesellschaftlichen Fortschrittes verdanken: Reaktionäre dagegen Menschen, die eine schon im Fortschrittsstrom untergegangene Gesellschaftsformation zu repristinieren zu versuchen und dazu gehört dann auch die gesamte Rechte, wie Faschisten und Nazis, während nur die Linke reformerisch oder revolutionär den Gang der Zeit folgend von der Dunkelheit des Unwissens hin zum Lichte der aufgeklärten Gesellschaft. Und selbst unsere heutigen Apologeten der Globaloisierung sind noch Kinder dieses Fortschrittsglaubens, auch wenn ihre Utopie sich reduziert auf den, die Welt in ein universalen Kaufladen zu verwandeln.

Aber wenn es keinen unumkehrbaren Progreß der Humanisierung der Welt gibt, in dem technische Fortschritte, marxistisch ausgedrückt: die Entwicklung der Produktivkräfte, und die Humanisierung der Welt Hand in Hand gehen, was ist dann Geschichte? Voreilig begeistert wurde uns schon das Ende der Geschichte proklamiert, weil die Utopie eines ewigen Progessierens sich aufgelöst hatte und damit auch der Glaube an das eine Subjekt, der Menschheit, die sich in der Geschichte zu dem nur entwickeke, was sie immer schon gewesen sei: die Einheit aller Menschen. Die Ausdifferenzierung in Familien, Stämme, Völker und Nationen ist diesem Humanitätsblick immer nur eine Entwicklungszwischenstufe zum Zurück zu der einen Einheit am Ende der Geschichte.

Oswald Spenglers geschichtsphilosophische Konzeption der aufblühenden und wieder untergehenden Kulturen ist so gesehen neben Nietzsches Vorstellung einer ewigen Wiederkehr des Gleichen eine Alternative zum modernen Geschichtsverständnisses eines linearen Fortschrittsglaubens, der sich auch durch gelegentliche Rückfälle in die Barbarei nicht irritieren läßt. Die Auflösung des Glaubens an die Menschheitsgeschichte mit ihrem Endziel einer einzigen vollkommen humanisierten Menschheitswelt, schafft wider Platz für die Geschichte der Völker, daß Völker und Nationen eben nicht einfach nur wieder aufzulösende Durchgangsstadien der Selbstentwicklung der Menschheit zur Einheit sind.

Aber wir erleben nun eine andere Abkehr vom Menschheitseinheitsglaubens: den radicalen Egozentrismus. Nur ich bin, und nur ich zähle und alles Andere ist mir nur ein Mittel zur Steigerung meines Lebensgenusses. Leicht ist es, diesen Egoismus moralisch zu verurteilen, aber dadurch verschwindet er nicht aus dem Alltagsleben. Denn er hat eine materielle Basis im Leben der Zeitgenossen. Der Liberalismus ist die geistige Haltung des Bürgers, der sich anschickt, die Welt als Absatzmarkt zu gestalten, schrieb E. Niekisch 1935.1 Zu ergänzen wäre: die Haltung des Konsumenten, dem die Welt zu einem einzigen Handelsmarkt geworden ist, auf dem er per Weltnetz überall alles kaufen kann. Der Primat der Ökonomie, daß der Mensch primär nur noch als Warenproduzent und Warenkonsument fungiert, setzt den Menschen als freies vereinzeltes Individuum. Lissons Werk: „Homo absolutus“ reflektiert gerade diesen Zerfallsprozeß aller sozialen Bande. Aber dieser Zerfallsprozeß ist auch in sich ambivalent: die Zeiten, in der selbstverständlich die Ideale des freien Westens die Ideale aller Völker zu sein hätten, am freien Westen hat die Welt zu genesen, sind damit auch vorbei: alle universalistisch sich gebenden Werte stehen nun unter dem Generalverdacht, nicht gedeckte universalistische Machtansprüche zu sein. Die Auflösung der Idee der Menschheit kann so einen Freiraum setzen für die Selbstbestimmung der Völker, denn das setzt voraus, daß es keine für alle Völker verbindlichen Weisen der Gestaltung ihres Volkslebens gibt. Sie kann aber auch die Schleusen öffnen für einen primitiven Egozentrismus der Individuen.

Aber ein solches liberalistische Menschenbild widerspricht der Natur des Menschen, der von Natur aus auf Sozialität ausgelegt ist. Die natürlichen Lebensordnungen von Familie und Volk entsprechen so gesehen der Natur des Menschen- nur, daß der Mensch wider seine Natur leben kann. Der Liberalismus wie der Feminismus sind so Aufstandsbewegungen wider die Natur des Menschen, indem der Mensch sich in Kunstwelten ganz seiner Natur entledigen will. In der Naturordnung ist der Mensch immer Teil eines Ganzen, von dem er, ausgehend von seinen Eltern sein Leben empfängt, wo er, eingebunden in eine soziale Umwelt von ihr empfängt und beerbt wird der Kultur seines Volkes. Und er lebt auch wieder für dieses Ganze, indem sein Leben Frucht bringt für das Ganze.

Was aber tun, wenn das Ganze unseren Augen entschwunden ist, wenn wir nur noch egozentrische Individuen sehen ohne Bezug auf ein Ganzes? Genau das ist aber die Perspektive des postmodernistischen Denkens. Indem es alles Soziale auflöst als gesellschaftlich bedingte Konstruktionen, dekonstruiert es damit auch die Grundlagen des menschlichen Lebens. Daß Frausein keine natürliche Bestimmung ist, sondern nur eine soziale Konstruktion des Patriachates oder der bürgerlichen Gesellschaft, ist wohl der folgenreichste Angriff auf die Natur des Menschen und führt zur Selbtvernichtung des Menschen. Die demographische Fehlentwicklung zeigt es.

Die Postmoderne ist die Zeit nach dem Zerfall der Moderne- sie zeigt nur das Daß des Danach an, daß eine Epoche zu Ende gegangen ist, ohne schon anzeigen zu können, welche Tendenzen sich in ihr durchsetzen werden: eine Renaissance nationaler Kulturen oder ein Zurück zu einem atomisierten Individualismus aufbauend auf den Trümmern der in sich zerfallenen Moderne. Eines ist aber gewiß: es gibt in der Geschichte keine objektive unabhängig vom Wollen und Tun der Menschen unabhängige Entwicklung der Geschichte. Was die Postmoderne sein wird, hängt auch davon ab, wozu sie bestimmt wird! Die Auflösung des Subjektes Menschheit kann den Individualismus der Völker oder den der Einzelmenschen aus sich heraussetzen. Aber was wollen wir dann unter Individualismus verstehen, wenn wir damit nicht nur eine feierliche Umschreibung für die Plattitüde: nur, was mir Spaß macht, will ich!,meinen? Der tiefste Gedanke abendländischen Individualismus ist der, daß Völker wie auch der Einzelmensch zu etwas bestimmt sind, daß sie eine Berufung und so einen Beruf haben und daß dieser erst Völker und Menschen individuiert. Daß das deutsche Volk eine Berufung hat und daß es deshalb ein individuelles Volk ist, daß gilt es neu zu entdecken wider die Lebensfeindlichkeit universalistischer Lebenskonzepte der Gleichmacherei. Unter der Vorgabe der Postmoderne hieße das, daß gerade nicht jeder Mensch und jedes Volk zum Selben bestimmt ist.
Für die christliche Religion könnte dies auch bedeuten, daß die Individualität der Christentumsverständnisse wieder betont wird gegenüber der Tendenz der Moderne zur Vereinheitlichung, daß es nur noch auf der einen Seite die christliche Religion als Abstraktum und auf der anderen Seite den individuellen Christen als das Konkretum geben soll. Man denke an die Blütezeiten der ökomenischen Bewegung, als man selbstverständlich nur noch Christ sein wollte und alles Konfessionelle als unchristlich ablehnte.



1Vgl: Niekisch, E., Die dritte imperiale Figur, 18.Kapitel, Die liberale Versuchung.

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