Dienstag, 2. Juni 2015

Was die Abkehr von Kirche und Religion fördert

Studie der Universität Münster nennt Wohlstand, Individualisierung und weltanschauliche Vielfalt – Der Studie zufolge stärkt es religiöse Bewegungen, wenn sie moralische Interessen vertreten.
Münster (kath.net/idea) Das Religiöse verliert in vielen modernen Gesellschaften an Bedeutung – trotz mancher Gegenbewegungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Religionssoziologen Prof. Detlef Pollack und Gergely Rosta von der Universität Münster. Sie haben nach eigenen Angaben eine der umfassendsten wissenschaftlichen Untersuchungen zu internationalen religiösen Trends erstellt. Dazu werteten sie Zahlenmaterial seit 1945 aus. Nach Angaben der Forscher vollzieht sich die Abnahme des kirchlichen Bestandes in Westeuropa „lautlos, nicht eruptiv und erweckt den Eindruck eines alternativlos voranschreitenden Prozesses“. Die Studie benennt eine Reihe von Faktoren, die die Lebendigkeit von Religion negativ beeinflussen: ein hohes Wohlstandsniveau, eine starke Individualisierung, ein breites Freizeit- und Unterhaltungsangebot sowie eine ausgeprägte kulturelle und weltanschauliche Vielfalt einer Gesellschaft. Im Blick auf die Vereinzelung heißt es in einer Mitteilung: „Je mehr die Menschen auf Selbstbestimmung, Lebensgenuss und Selbstverwirklichung Wert legen, desto distanzierter stehen sie den Kirchen gegenüber.“ 

So konnte man es auf Kath net unter obiger Überschrift am 19 Mai dieses Jahres lesen. Nichts Neues, wird man wohl beim Überlesen dieser Nachricht sich sagen, um sich dann Relevanterem zuzuwenden. Es entspricht ja auch der subjektiven Wahrnehmung leerer werdender Kirchen und des Verlustes der Relevanz der Religion im und für das Leben. Empirische Untersuchungen bestätigen diesen subjektiven Eindruck dann auch. Aber lesen wir diesen Text doch einmal kritisch! Da wird von einem Eindruck eines alternativlos voranschreitenden Prozesses des Ablebens der Religion gesprochen. Ein Eindruck ist noch keine Tatsache, daß es sich so wirklich verhält. Die Prognose, daß der Prozeß sich so weiterentwickelt, setzt ja einfach voraus, daß alle an diesem Prozeß Beteiligten, wie immer sie auch in ihm aktiv oder passiv sich verhalten, sich weiterhin so verhalten, wie sie sich bis jetzt verhalten. Die Präsumption der Stetigkeit ist nun aber auch eine bezweifelbare Annahme. 
Was benennt nun diese religionssoziologische Studie als die Gründe für das Verblassen der Religion in der modernen Gesellschaft? a) das hohe Wohlstandsniveau, b) die starke Individualisierung, c) das breite Freizeit- und Unterhaltungsangebot, und d) die kulturelle und weltanschauliche Vielzahl, die Pluralität. Eines fällt sofort aus: die Gründe haben mit Religion gar nichts zu tun, sondern ließen sich auf jeden Anbieter von Waren und Dienstleistungen übertragen!  Das Wohlstandsniveau verwiese dann auf gesättigte Märkte, es fehlt an Nachfrage, die Konsumenten zeichnen sich dann noch durch individuellen Geschmack aus, sodaß es schwer ist, massenhaft Produziertes an den Mann zu bringen und es gäbe so viel Mitbewerber auf dem Markt, so daß diese Konkurrenz den Verkauf der eigenen Produkte erschwert! 
Erstes Fazit: Diese Art von Religionssoziologie betrachtet die Religion als eine auf dem Markt zu verkaufende Ware und stellt fest, daß die Marktbedingungen für dies Angebot nicht günstig sind Die Gründe dafür gelten eigentlich für jeden Waren- und Dienstleistungsanbieter für einen gesättigten Markt mit einer großen Anzahl von Mitbewerbern. Gerade die Individualisierung der Konsumwünsche erschwert ja die massenhafte Billigstproduktion von dann gewinnbringend  verkaufbaren Waren.
Das Besondere der Religion wird dabei in keinster Weise berücksichtigt. Daß die Religion in einer Konkurrenz zu Freizeit- und Unterhaltungsangeboten stünde, kann nur der meinen, der ernsthaft meint, daß auch die Religion nur eine Freizeitbeschäftigung wäre! Nur: wer käme auf die absurde Idee, zu meinen, daß es einen Zusammenhang gäbe zwischen der Häufigkeit von Arztbesuchen und der Vielzahl an Freizeitangeboten? Gehen etwa weniger Menschen zum Arzt, weil es viele Bier-und Tanzlokale am selben Ort gibt?  Die Religion gehört so wenig zur Freizeitgestaltung wie ein Arztbesuch! Wenn aber die Religion als ein Freizeitangebot wahrgnommen wird oder gar als solches angeboten wird, dann ist die Religion in diesen "Angeboten"schon längst abgestorben. Und rechtens erachten junge Menschen einen Diskothekenabend als eine angemessenere Freizeitgestaltung als zu einer Sühnenacht eine Kirche aufzusuchen! Die Absurdität dieser Religionssoziologie beruht so auf der Vorstellung, daß auch die Religion nur eine Art der Freizeitgestaltung sei und in Konkurrenz zu Unterhaltungsveranstaltungen stünde. Nein Unterhaltung wichtiger ist als Religion, der hat schon längst verlernt, was Religion ist und deshalb präferiert er dann die attraktiveren Unterhaltungsangebote. 
Warum soll denn nun die Individualisierung gegen die Religion sprechen? Gibt es denn einen Gegensatz von Religion und Individualität? Ganz simpel:die deutsche Sprache liegt mir als jetzt in deutscher Sprache Schreibenden voraus, denn sie bildet die unbedingt notwendige Voraussetzung dafür, daß ich jetzt individuelle Sätze schreiben kann. Ich kann mein individuelles Denken nur denken und schreiben, weil das System der deutschen Sprache (Wortschatz, Grammatik, Syntax etc.) mir erst ein individuelles Artikulieren ermöglichen. Gäbe es das allgemeine System der Sprache nicht, wäre ein individuelles Sprechen nicht möglich. Das gilt so auch für die Religion. Der Glaube der Kirche ist das, was in der Sprache das System der Sprache ist, die so erst einen individuellen Glauben ermöglicht. Die Individuierung gehört so konstitutiv zu jeder Religion, nur eine tote wäre ohne sie. Das, was man den persönlichen Glauben nennt. ist ja nichts anderes als die Individuierung  des Glaubens der Kirche, bzw. der Religion Nicht ist der Glaube der Kirche nämlich die Summe der individuell Glaubenden, sondern das Allgemeine geht dem Individuierten voraus. 
Nun soll noch der Wohlstand schuld am Absterben der Religion sein. Das irritiert nun doch, wenn man sich daran erinnert, daß das Theodizeeproblem der Grund der Unglaubwürdigkeit aller monotheistischen Religionen sein soll. Gemeint ist, daß wir Menschen in einer Welt des Mangels an Gutem und des Überflusses an Leid lebten, sodaß dieser Elendszustand der Welt es fast unmöglich mache, an einen Gott zu glauben, der als allmächtiger und menschenliebender diese Welt regiere. Das Zuviel an Negativem verunglaubwürdige so jeden monotheistischen Glauben! Jetzt soll ein Zuviel an Gutem, an Wohlstand. der Religion schaden! Läge es nicht viel näher, die Tatsache, daß es einem gut geht auf Erden, mit dem Gott, der als Geber allen Guten geglaubt wird, in Zusammenhang zu bringen? Ist doch die Eucharistiefeier die Dankfeier an Gott eben auch und gerade für ihn als Geber alles Guten. Erst wenn das Mir-Gut-Gehen in keinem Zusammenhang mehr gesehen wird mit dem Gott, der als der Geber allen Guten gedacht wird, verliert die Religion ihre Bedeutung. Das beinhaltet dann aber als Konsequenz auch daß, wenn Gott nicht als Geber des Mir-Gut-Gehens geglaubt wird, er auch nicht als Adressat des Gebetes, Gott gewähre mir das und dies Gute, in Frage kommt, weil er eben nicht mehr als Geber von Gutem geglaubt wird. Erst, wenn das Mir-Gut-Gehen und das Mir-Nicht-Gutgehen nichts mehr mit Gott zu tun  hat, dann verliert die Religion an Lebensrelevanz. Nicht daß es mir gut geht, ist dann schon der Grund für das Ableben der Religion, sondern erst das Faktum, daß ich mein Mir-Gutgehen in keinem Zusammenhang mehr sehe zu Gottes  Regieren der Welt! 
Es bleibt so nur noch die Konkurrenz der Religion zu anderen Weltanschauungen und die religiöse Konkurrenz! Nur, wie viele Konkurrenten standen denn dem Urchristentum gegenüber und trotzdem setzte es sich durch! 
Und was soll man dann zu der Trias:Selbstbestimmung, Lebensgenuß und Selbstverwirklichung sagen, die zudem als Gründe für das Verblassen der Religion angeführt werden seitens der Studie? Das klingt doch wohl überzeugend! Aber was muß dem für ein Religionsverständnis zu Grunde liegen, wenn es konträr zu dieser modernen Dreifaltigkeit gelingenen Lebens angesehen wird? Wer sich dazu entscheidet, als Christ zu leben, bestimmt so über sein Leben, wie auch der, der sich dazu entscheidet, als Atheist zu leben. Selbstbetimmung ist die denknotwendige Voraussetzung jedes menschlichen Lebensaktes, in der ein Mensch sich für etwas entscheidet, denn in jeder Entscheidung zu etwas betimme ich immer auch über mich. Entschließe ich mich, jetzt gleich, den angefangenen Thomas Mann Roman weiterzulesen, dann betimme ich mich dabei dazu, zum Leser zu werden. Jetzt bin ich Schreiber. Angesichts der Verheißung des ewigen Lebens kann man wohl schwerlich die Religion als Gegensatz zum Lebebnsgenuß ansehen, denn aller irdischer Lebensgenuß endet mit dem Tode, so daß der Wunsch, sein Leben zu genießen entweder den eigenen Tod als das absolute Ende des Lebebsgenießens hinnehmen muß oder in der Religion Wege zu finden, wie der Mensch ewiges Leben genießen kann. Erst wenn die Perspektive des ewigen Lebens als erfülltes Leben ganz verloren gegangen ist, wird die religiöse Praxis als der zu gehende Weg zum ewigen Leben als Beeinträchtigung des Lebensgenusses erscheinen. Das wäre so, als wenn ein Durst Habender die Auskunft, er habe noch einen halben Kilometer zu gehen bis zur nächsten Restauration mit Speis und Trank als unzumutbare Beeinträchtigung seines Lebensgenusses bezeichnen würde und so hungrig und durstig stehen bliebe und nicht weiterginge- also um des kurzen Genusses willen auf den ewigen Genuß zu verzichten, weil man den langen Weg, den die Religion weist, scheut. Man kann es deshalb resümierend so sagen: erst wenn die Religion als etwas Lebensfeindliches, dem Lebensgenuß Ablehnendes vorgestellt wird, kann die Religion um des Lebensgenusses willen abgelehnt werden. Der Hauptgrund dafür ist das Verblassen und fast vollständige Verschwinden der Frage nach dem: was ist nach meinem Tode?, das Verschwinden der Perspektive eines ewigen Lebens nach dem Tode als dem wirklichen Leben in Erfüllung und des Genießens Gottes. (So der hl. Augustin). Erst wenn die Religion fast nur noch als ein Regelsystem von moralischen Verboten wahrgenommen wird, erst dann kann und muß die Religion um des Lebenbsgenusses willen als etwas Lebensfeindliches angesehen werden!  Erst die Reduzierung der Religion auf Moral, diese Tendenz ist nun tatsächlich seit der Aufklärung erkennbar, kann die Religion als etwas Lebensabweisendes empfunden werden, besonders dann  wenn der Begriff des Lebens dann noch vitalistisch, vgl etwa Nietzsche, ausgelegt wird. Dieser Wandel in der Religion war so die Voraussetzung von der Gegenüberstellbsarkeit von Religion und Leben- als hieße es: nur wer unmoralisch lebt. genießt und wer religiös lebt, verzichtet faktisch aufs Leben um der Moral willen.           


Summa summarum: die hier benannten  Gründe der Religionssoziologie  für das Verblassen der Religion in unserer Zeit sind  fadenscheinig und beweisen nichts!  Nur eines, und das ist das bedenklichste und gefährlichste an diesen "Ergebnissen": daß sie den Eindruck erwecken, daß die Kirche und die christliche Religion an ihrem eigenen Niedergang selbst ganz und gar unschuldig sei. Es laufen einfach Modernisierungsprozesse ab, der des steigenden Wohlstandes, der der Individualisierung und der der Zunahme an Konkurrenten, die eben die Religion entkräften! Und gegen diesen Modernisierungsprozß kämpfen selbst die Götter vergebens, soll man dann wohl im Sinne der Religionssoziologie hinzufügen, um so die Totenklage der christlichen Religion anzustimmen!                  


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