Samstag, 19. Dezember 2015

Lesefrüchte: Wider den domestizierten Gott Ockham

"Ein kleiner franziskanischer Trick der Mönche Duns und Ockham hatte bis heute nicht zu überschätzende Auswirkungen:Gottes Wesen sei sein allmächtiger Wille. Dieser sei die letzte Ursache der normativen Schöpfungsordnung. Alles Gute und Böse sei ein beliebiges Produkt göttlicher Willkür! Damit wandte Ockham sich ab von Platon und Thomas [der hl. Thomas von Aquin ist gemeint]: Dieser hatte Gott für die unwandelbare Idee des Guten selbst erklärt und damit seine Allmacht verkürzt: Gottes Wille steckte damit im Käfig einer idealen Vernunftidee, über die selbst Gott sich nicht hinwegsetzen konnte. Gottes innerstes Wesen  sei die berechenbare Vernunft. Nein,widersprach ihm Duns: Sein Wesen sei die Liebe: Sie beruht auf einem nicht rational ableitbaren, also freien Willensakt. Schließlich befreite Ockham Gottes Willen endgültig und setzte ihn über alles Gut und Böse: es gebe kein Gut und Böse aus der Natur der Sache selbst und keine vorwillkürliche, vernünftigem Kalkühl zugängliche Bewertung in Gut und Böse. Gott selbst sei es, der Gut und Böse willkürlich aus dem normativen Nichts erzeuge." Kunze, Klaus, Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus, 1995, S.12f) 

Anmerkungen:
Gäbe es eine Ordnung von Gut und Böse unabhängig vom Willen Gottes, dann wäre das eine Seinsordnung und als solche nicht normativ, denn das etwas gut ist, besagt nicht, daß es gut sein soll. Erst Gottes Wille sagt, daß etwas, was ist, auch sein soll. Zudem: Woher sollte denn diese Ordnung, sich aufbauend aus der Differenz von Gut und Böse sein,wenn nicht allein aus Gott? Gäbe es Seiendes unabhängig von Gott, dann wäre Gott nicht mehr der Kreator. Auch die Idee des Guten in Gott kann nur als durch Gott gesetzt gedacht werden, denn diese Idee des Guten kann sich ja nicht auf etwas Gutes beziehen, was unabhängig von der göttlichen Idee des Guten ist. Gott setzt die Ordnung des Guten als Schöpfung aus dem Nichts und so gründet sie sich in nichts als in der göttlichen Dezision, das als gut und böse zu setzen. Es ist Gottes souveräne Freiheit, die Ockham so wie keiner vor und nach ihm so grundlegend durchdacht hat. Anders formuliert: Ockham denkt Gott als Selbstbestimmung, als causa sui, die erst sich als bestimmter Gott bestimmt. Denn Gott liegt nicht, wie dem geschaffenen Sein eine Natur zu Grunde, zu der sich dann die kreatürliche Freiheit kontingent verhalten kann, sondern er setzt sie sich kraft seines freien Willens. 

Jede Bestimmung Gottes verendlicht Gott, weil jede Bestimmung immer auch eine Negation enthält, was er nicht ist. Das ist das Recht jeder negativen Theologie, die auf alle positiven Aussagen über Gott verzichtet, weil er so immer verendlicht wird. Nur wenn Gott sich selbst als selbstbestimmend gedacht wird, wird sein Bestimmtsein nicht als Fremdbestimmung erscheinen. Gott ist so die Ursache seiner selbst, daß er sich als absoluter Gott selbst zu einem bestimmten bestimmt. Er setzt sich selbst und erkennt sich selbst. Das ist die notwendige Voraussetzung dafür, daß Gott von Anderen erkannt werden kann, weil er sich in seinem Sichbestimmen und Erkennen selbst verobjektiviert und so zum möglichen Erkenntnisobjekt von uns Menschen wird. In Anlehnung an Sartre könnte man sagen: Gott geht keine göttliche Essenz voraus, sondern er wählt seine Existenz und damit seine Essenz frei: er ist nur so, wie er sein will. Es geht ihm kein Sein voraus als Prä seines Wollens und Erkennens. 

Seit Donoso Cortes gibt es die Einsicht in eine wechselseitige Beeinflussung der Gottes- und der Staatslehre. Wo der absoutistische Staat verurteilt wird, da wird Gott auch als durch eine Seinsordnung des Guten determinierter gedacht. Wo Gott als Souverän gedacht wird, wird auch der Staat über die Verfassung gesetzt, so Carl Schmitt in seinen Erwägungen zum Ausnahmezustand. Der konstitutionellen Monarchie korrespondiert so die Idee eines Gottes, der selbst eingefangen ist in eine Moralordnung, der er unterworfen ist. Das ist das Idealbild des domestizierten Gottes.Wird dann noch die Moralordnung als unabhängig von Gott seiend gedacht, kann Gott dann später getötet werden (Nietzsche) und versucht werden, die christlich-bürgerlicher Moral dann ohne lebenden Gott aufrecht zu erhalten. 

Anders gesagt: Gott hätte auch eine ganz andere Welt schaffen können mit einer anderen Moralordnung. Die, in der wir leben, ist nicht notwendig so, wie sie ist. Und Gott ist nicht so an sie gebunden, daß er sich ihr selbst unterworfen hätte, sodaß er abgedankt hätte und nun nur noch die Moralordnung regierte.

Es wäre eine große Aufgabe, Ockham für eine Theologie für die Bedingungen des postmodernen Denkens neu zu lesen! Denn gerade die katholische Lehre von Gott war nie nur biblsch fundiert, sondern auch immer das Produkt des Diskurses mit der Philosophie. Die Theologie des hl. Thomas von Aquin ist nicht denkbar ohne sein intensives Aristotelesstudium, aber die Philosophie des Aristoteles ist nicht selbst Bestandteil des Glaubensgutes der Kirche. Eine Gotteslehre, die Gott von der Tradition der causa sui her als reine Selbstbestimmung denkt, könnte Ockhams theologisches Denken mit Sartres Freiheitsdenken synthetisieren und so eine sach- und zeitgemäße Gotteslehre kreieren, wenn unter dem Zeitgemäßen die Anschlußfähigkeit zur Philosophie der Gegenwart verstanden wird.K. Kunze zeigt ja genau an, wie Sartre zu Ockham steht: "Denkt man Gott aus seinem[Ockhams] Weltbild weg, tritt der Einzelmensch sein Erbe als alleiniger Normenschöpfer an." (S.13). So ist Sartre ein säkularisierter Okhamist, der so in seiner Freiheitsphilosophie Grundlagen bietet, Gott als Freiheit, als Selbstbestimmung zu denken und so auf der Höhe des heutigen philosophischen Denkens.    

                

           

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