Mittwoch, 6. Januar 2016

Technischer Fortschritt und katholische Hysterie

Die "heutigen Möglichkeiten, in die menschliche Keimbahn einzugreifen und das Erbgut zu manipulieren", verleitet nun den H. Gindert zu einem von Hysterie eingefärbten Artikel: "Der moderne Mensch vor den Folgen seiner >Fortschritte<: Hilflos!", in: Der Fels, Januar 2016, S.28f. Bombastisch ist schon die Eröffnung: "Der moderne Mensch ist wissenschafts- und fortschrittsgläubig." (S.28). Richtig, nur, das war der moderne Mensch, der mit dem Ende der Moderne eben nicht mehr unsere Diskurse bestimmende ist. W. Schütz wird in diesem Felsartikel zitiert als Vertreter des modernen Fortschrittsglaubens: " Die Folgen für die Medizin sind bahnbrechend. Das Risiko, an genetisch bedingten Leiden (Alzheimer, Aids, Herzinfakt., Brustkrebs) zu erkranken, kann für zukünftige Generationen beseitigt werden...Es ist der Sieg des Menschen gegen die Unbilde der Vererbung". (S.28). 
Was ist aus katholischer Sicht gegen solche möglichen medizinischen Fortschritte einzuwenden? (Nebenbei: Die Bewegung des Transhumanismus verheißt durch das Konzept der Synthese von Mensch und Technik, der Cyborgkonzeption noch viel Optimistischeres!) Nur Phrasen! Ob so der Mensch sich anmaße, ein besserer Schöpfer zu sein, es wird vom Züchten im Menschenpak schwadroniert und es wird nach Begrenzungen des (technischen) Fortschrittes gerufen! Und es darf natürlich das Standart"argument" des gottlosen Forschrittes nicht fehlen. Damit wird auf den altbekannten Witz rekurriert: einst waren die Pfarrer fromm und beteten beim Gewitter, daß der Blitz nicht in die Kirche einschlage, jetzt montieren sie Blitzableiter aufs Kirchendach. Ach waren das noch gute Zeiten für die Frömmigkeit, als man Auto fuhr ohne Sicherheitsgurt und Airbag, im alleinigen Vertrauen auf seinen Schutzengel! Aber ernsthaft gefragt: Kann ein medizintechnischer Fortschritt, der das Auftreten von Erbkrankeiten vermindert, allen Ernstes als unchristlich verurteilt werden? Statt diese Frage nüchtern zu erörtern wird aber auf der Tastatur der Emotionen und Ängste drauflosgespielt: von Manipulieren ist die Rede, ohne zu berücksichtigen, daß jede Operation ein Eingriff, also eine Manipulation des menschlichen Körpers darstellt. Fluch oder Segen soll die Technik plötzlich sein, anstatt nüchternen Kopfes Chancen und Grenzen der Fähigkeit zu medizinischen Eingriffen in das menschliche Erbgut zu analysieren. Plötzlich wird dem medizintechnischen Fortschritt vorgeworfen, es fehle ihm das Unterscheidungsvermögen von Gut und Böse- als wäre der Kampf gegen Krankheiten nicht an sich etwas Gutes!
Nur, es sei hier ein tiefsinnigerer Gedanke erlaubt. Was tat Jesus Christus, wenn ihm Kranke begegneten, etwa ein Blinder? Heilte er ihn oder sagte er zu ihm: Das ist dein Schicksal. Trage es mit Geduld- und wichtiger als das Sehnkönnen mit den Augen ist das Sehenkönnen mit dem Herzen, daß du siehst und glaubst, daß ich der Messias bin? Wie anders reagierte Buddha auf den Anblick von Leiden auf seinen Ausfahrten? Er erkannte gerade darin, daß das Leben Leiden ist und daß nur die Aufhebung des Willens zum Leben uns Menschen vom Leiden befreien kann. (Vgl dazu A.Schopenhauers Lehre von der Lebenswillenüberwindung als die Erlösung des Menschen ). Daß das christliche Abendland der Ort des medizintechnischen Fortschrittes ist, gründet sich gerade in dieser Heilpraxis Jesu Christi selbst, der als Erlöser Menschen heilte und sie nicht lehrte, wie ein Stoiker, das Leiden geduldig zu ertragen. Dieser Aufruf zum Heilen ist nun in der modernen Gesellschaft zum säkularisierten Beruf des Arztes geworden, während der Priester dann nur noch die unheilbaren Fälle als seine Aufgabe ansieht. Nur diese Arbeitsteilung, inzwischen auch in der Seelsorge etabliert, zwischen den heilbaren Erkrankungen durch medizinische Therapien und die seelsogerliche Begleitung für  Seelenprobleme, die keiner Heilung durch eine Therapie bedürfen, verunklart, daß gerade die medizinische Heilung ein Ort der Nachfolge der Heilungspraxis Jesu Christi ist. Zu dieser gehört notwendigerweise der medizintechnische Fortschritt eben auch in der Gestalt heilenden Eingriffe in das menschliche Erbgut. Nun bin ich kein Fachmann zur Beurteilung der Chancen und Risiken solcher Therapiekonzeptionen, aber im Sinne der Moraltheologie ist zu urteilen, daß alles, was Menschen von Krankheiten befreit, etwas Gutes ist und daß deshalb das Erforschen von neuen Heilmöglichkeiten auf keinen Fall perhorresziert werden darf!  

Corollarium 1
Es muß darin erinnert werden, daß nach der katholischen Lehre vom Menschen die Seele, die unmittelbar von Gott geschaffene und inkarnierte das die Identität des Einzelmenschen Ausmachende ist und nicht das menschliche Erbgut, da dies nur den Körper des Menschen ausmacht.                                 

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