Dienstag, 23. Februar 2016

Ein Meuchelmord und eine Heilige- oder was macht Heiligkeit aus?


Eine eigentümliche Geschichte, ganz deplaciert hier: ein Mann verliebt sich in eine Frau, er begehrt sie, sie läßt sich zum abendlichen Rendezvous einladen, Wein wird getrunken, viel und als der Verliebte trunken der Liebe und des Weines ist, da tötet die Frau den wehrlosen weil trunkenen,  Mann.  Ist das nun eine Geschichte, eine feministisch inspirierte in der die Frau sich dagegen auflehnt, zum Sexobjekt des Mannes degradiert zu werden, ist es vielleicht nur eine blutfließende Kriminalgeschichte, oder ein Weisheitsstück: Gebe, Mann, Acht, mit was für Frauen du dich umgibst? 
Mitnichten, das ist eine Heiligengeschichte: Sie erzählt uns, wie die hl.Judit ihr Erfolg rettete vor seinem Feind! Nachzulesen im Buche Judit der Bibel! Nur, so drängt sich uns ein Einwand auf: Das ist doch eine heimtückische Ermordung, erst den Mann trunken machen und ihn dann, wehrlos geworden, zu töten! Gilt denn nicht auch hier die Regel, daß der auch noch so "heilige" Zweck nicht das unmoralische Mittel heiligt? Einen Wehrlosen töten, dabei die Schwäche des männlichen Geschlechtes für die Frau so rabiat mißbrauchen, das kann nicht moralisch sein. Wie immer nun auch das Verhältnis von Moralität und Heiligkeit näher zu bestimmen ist: Wo unmoralisch gehandelt wird, da kann keine Heiligkeit sein- das muß doch gelten!  
Spätestens seit Kant ist dem Christen einsichtig, daß Gott von den Menschen um seiner Heiligung willen nur die sittliche Gesinnung einfordern kann, nicht mehr aber auch nicht weniger. Wie kann da diese Mörderin Judit in den Ruf der Heiligkeit kommen! Oder sollen wir es in diesem Falle nun doch mit Marcion halten, dem ja das ganze Alte Testament zu unmoralisch war, nicht auf der sittlichen Höhe des Jesus von Nazareth, sodaß er es als inkompatibel mit Jesu Verkündigung reprobieren wollte? 
Wie nun, wenn die Heiligkeit etwas ganz anderes wäre als nur eine gesteigerte Form der Sittlichkeit?
Wie nun, wenn uns Aufgeklärten der Sinn für das Heilige verloren gegangen wäre, weil wir sie nur als gesteigerte Sittlichkeit uns vorstellen können? Da steht eine jüdische Frau vor einem Problem: Sie weiß, ein Feind ihres Volkes will ein Massaker an Juden verüben. Sie frägt sich: Kann ich das irgendwie noch verhindern. Sie erkennt, daß es dafür für sie nur eine Lösung gibt. Nur wenn sie den Feind tötet, wird er die Juden nicht mehr töten lassen. Sie weiß, daß der feindliche Mann sie als Frau begehrt, ja vielleicht liebt er sie sogar und da faßt sie diesen Entschluß, so den Feind zu töten, um das Leben vieler Juden zu retten! Ist das nicht doch ein Mord, den sie da begehen will? Streng genommen nicht, denn so heimtückisch auch die Durchführung ist, es fehlt der zur Mordtat konstitutive niedere Beweggrund: Wer tötet, um vielen das Leben zu rettet, der mordet nicht, er tötet aber! Ist aber nicht jede Tötungshandlung eine Sünde- gab Gott nicht jedem Menschen das Leben und so auch dem, den nun Judit töten wollte und auch getötet hat? 
Hier leuchtet etwas zutiefst Tragisches auf: Um des guten Zieles willen, der Rettung der Vielen, muß Judit Einen töten, denn sonst kommt die Katastrophe über die Juden, ihr Volk. Aber das Töten eines Menschen bleibt etwas zutiefst Unmoralisches und doch muß diese Tat um des Lebens willen, des Lebens der vielen Juden willen vollbracht werden! 
Karl May, der so sehr verkannte Schriftsteller erfaßt dieses Tragische, wenn er schreibt:         
"Ja, das ist die wahre Judith, das muthvolle Weib, die Mörderin des Holofernes, die Retterin ihrer Heimath, welche selbst ihre Tugend zum Opfer brachte, um den Ihrigen das abgeschlagene, blutige Haupt des Feindes zu bringen." Karl May, Der verlorene Sohn, Bd.1 Die Sclaven der Armuth,historisch-kritische Ausgabe, Abteilung II, Bd.14, 1995, S.207.
Judit opfert ihre Tugend, ihre Moralität um des Lebens ihres Volkes willen. Wenn wir diese Formulierung bedenken, drängt sich uns der Gedanke des  Opfers, des Lebensopfers auf, das dargebracht wird, um des Lebens der Vielen willen: das Kreuzaltaropfer Jesu Christi. Ist vielleicht gerade das moralisch Anstößige das Heilige ihrer Tat- das Sichopfern, hier, daß sie ihre Tugend opferte, den wehrlosen Mann tötete, um des Wohles ihres Volkes willen? Karl May begreift dabei die Moralität dieses Opfers ihrer Tugend: Es geht ihr allein um die Rettung "ihrer Heimath"- treffender kann es nicht gesagt werden. 
Wenn uns Modernen das völlig abwegig erscheint, dann zeigt das uns an, wie sehr das heutige Christentum verbürgerlicht ist, indem für es Heiligkeit in schlichter Anständigkeit besteht und in sonst nichts mehr.   

In ihrer Trilogie: „Das Rosenwunder“ läßt Handel-Mattiert den evangelischen Theologiestudenten Sand, den Mörder des so arg verkannten Schriftstellers August von Kotzebue sagen: „Ihr Katholiken seid ein sehr armes Volk. Vor jeder großen Regung der Seele habt ihr Angst, und vor großen Taten zittert ihr! Alles ist Sünde. (Handel, Mazetti, E.v., Das Rosenwunder Bd.1, 1926, S. 182.). Könnte Sand mit diesem Votum ein wenig recht  haben, wenn wir uns das verbürgerlichte Christentum der Gegenwart vor Augen halten?  
Wir erleben und erleiden in unserer Zeit das Ableben der christlichen Religion zumindest in Westeuropa. Aber liegt dem nicht schon ein Absterbeprozeß voraus, der der Verbürgerlichung in Folge der Aufklärung? Denn was bleibt von einer Religion, wenn sie ihr Herzstück, das Wissen um das Heilige verloren und es eingetauscht hat gegen die Fadheit des sittlich Anständigen?  

Was macht nun die Heiigkeit dieser Frau aus? Daß sie sich ganz und gar in den Dienst ihres Volkes stellte, wobei dies Ganz- sich- in- den- Dienst- Stellen das Heilige ihrer Tat ist, daß sie dafür auch ihre Tugend opferte!   Etwas heiligen heißt ja, etwas ganz in den Dienst Gottes stellen, wie etwa ein Weinkelch geheiligt wird, indem er ausschließlich für den Empfang des Blutes Christi als Eucharistiekelch bestimmt  und nicht mehr zum profanen Weintrinken benutzt wird.  
  

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