Sonntag, 10. April 2016

Irritierendes zur Lehrautorität der Kirche

Jesus Christus lehrte: "Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so." (Mt, 19,8) Die Preisfrage lautet nun: Mit welchem Recht durfte Mose die von Gott von Anfang an gewollte Unauflöslichkeit der Ehe so auflösen? Jesus gibt Mose ja recht, daß er das Recht dazu hatte, nur daß er nun dieses "Zugeständnis" des Mose wieder revoziert, um die alte von Gott selbst gewollte Ordnung der Ehe wieder herzustellen.Um der Hartherzigkeit der Menschen willen paßte also Mose als der Gesetzgeber des Alten Bundes die Ehelehre den Menschen an. Könnte die Kirche nun mit der selben Kompetenz ausgestattet wie Mose auch die Ehelehre wieder um der Schwäche der Menschen willen ihnen anpassen? Oder verfügt die Kirche über weniger Lehrautorität als Mose? Wer so frägt, gerät notwendigerweise in den Verdacht, nun doch dem Großinquisitor Dostojewskis recht zu geben, daß die Kirche um der Menschen willen, ihrer Schwäche und Neigung zum Sündigen eingedenk, die Gebote und Lehren, die Gott uns offenbart hat, zu humanisieren! Das ist ja das Grundanliegen des Großinquisitors bei Dostojwski! Nicht Herrschsucht oder gar Machtgier bestimmen sein Verhalten, sondern seine Liebe zu den Menschen, wie sie nun mal sind, und die eben den Ansprüchen der Nachfolge Christi nicht genügen können. Dazu sind sie eben zu schwach! Nur, ist diese Art praktizierter Nächstenliebe tatsächlich der Kirche verwehrt, weil sie nicht, wie einst Mose die Lehrbefugnis inne hat, eine Morallehre zu humanisieren,um der Menschen willen? Hier wird jeder wohl sofort mit: Das sei ferne! antworten, denn was würde aus den Wahrheiten der christlichen Religion, hätten die Kirchenoberen das Recht, die Lehre der Kirche den Wünschen der Menschen gemäß umzuformen! 
Nur, es bleibt die Frage: Warum gibt dann Gott seinem Mose mehr Kompetenz in Lehrfragen der Moral als er es seiner Kirche dann zubilligt? Hätte Mose seine Kompetenz nicht auch mißbrauchen können um etwa die Anbetung des Goldenen Kalbes zu dulden  ob der Schwäche des Volkes, dauerhaft einem unsichtbaren Gott glauben zu sollen?  Und ist es wirklich völlig ausgeschlossen, das Ja der Kirche zu Bildern in der Kirche als ein anschauliches Beispiel der Humanisierung der Gebote Gottes im Geiste des Großinquisitors zu deuten? Es sei an den wütenden Protest gerade der radicaleren Reformer gegen die Bilder in der Kirche erinnert, an den Bildersturm der Reformation, der sich aber gerade legitimierte mit dem Wortwörtlichnehmen des Bilderverbotes der 10 Gebote! 
Könnte es gar sein, daß Dostojewskis Großinqisitor dem Willen Gottes näher steht als uns lieb sein könnte, weil er wirklich seiner Kirche auf Erden und Jesu Christi Stellvertreter auf Erden so viel Lehrautorität gegeben hat?
Wer den Großinquisitor liest, stößt ja am Ende auf ein wohl unlösbares Rätzel: Warum küßt am Ende der auf Erden wieder gekommene Christus den Großinquisator, der doch sein Werk und seine Lehre so humanisierend entstellt hat. Was bedeutet dieser Jesus-Kuß? 
In der Staatsrechtsdiskussion ist eines der schwierigsten und komplexen Themen das des Ausnahmezustandes. Carl Schmitt widmete sich gerade intensivst dieser Frage und zeigte dabei die Parallelität von Gottes Souveränität und der Lehre von der Souveränität des Staates auf. Wie Gott im Wunder die von ihm selbst gesetzte Ordnung punktuell auflöse, so müsse und könne der Staat auch den Ausnahmezustand praktizieren.Also wäre weder für Gott noch den Staat das Gesetz immer und ewig verbindlich: Es könnte punktuell außer Kraft gesetzt werden um etwas wichtigerem als der gesetzten Ordnung willen.
Nur, wenn heuer so die Kirche agieren dürfte, hätte sie sich dann nicht schon längst selbst destruiert, nur um den Menschen zu gefallen?  

Corollarium 1
Die Evangelische "Kirche" zeigt uns überdeutlich, wohin der Weg geht, wenn die Lehrautorität der Kirche über die der hl. Schrift gestellt wird. Die FAZ rapportierte heute:
In Berlin, Brandenburg und Ostsachsen können homosexuelle Paare ab dem 1. Juli auch kirchlich heiraten. Das beschloss die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) mit großer Mehrheit. Bisher war für schwule und lesbische Paare nur eine Segnung vorgesehen, etwa ohne Eintragung ins Kirchenbuch oder Ringwechsel.

Aber ist dieser offenkundige Mißbrauch der Lehrautorität auch schon ein hinreichendes Argument wider den Gebrauch der kirchlichen Lehrautorität, wie es der Gesetzeslehrer Mose praktizierte, dem Christus ja keinen Mißbrauch vorwarf?

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