Donnerstag, 23. Juni 2016

Krise der Predigt? Irritierndes dazu

">Vorlesung im Messgewand<- so nennen Seminaristen vor einigen Jahren die Predigten der Jesuiten in der Sankt Georgener Gottesdiensten. Ob zu Recht oder zu Unrecht- man kritisiert die Predigten als abstrakt-akademisch,belehrend und zu lang." Klaus Vechtel SJ, Die Predigt der ersten Jesuiten, in: Jesuiten 2016/2 S.2. Aber schon 1796 konnte ein englischer Schriftsteller urteilen,daß für die allermeisten Gottesdienstbesucher gälte:"so hätte besagte Predigt ebensowohl zur Gänze wegbleiben können, ohne daß man darob enttäuscht gewesen, ja solches Fehlens überhaupt innegeworden wäre." M.G. Lewis, Der Mönch, übersetzt von: F.Polakovics, 1986, S.14.  Als einzig interessierte Predigthörer werden in diesem Roman ausgemacht: "So kam`s, daß die einzigen Menschen, die in Wahrheit dem Kanzelworte lauschen wollten, sich aus ein paar runzlig- vertrockneten Betschwestern zusammmensetzten sowie aus einem Halbdutzend mißgünstiger Prediger, welche bloß von dem Wunsch beseelt waren, in dem Sermone, den sie da hören sollten, den oder jenen Fehler zu entdecken und die Schale des Spotts darüber auszugießen." (Der Mönch, S.13f). 
War das 2. Vaticanum eben auch die angebliche Entdeckung des Wortes in der bisher zu einseitig auf das Sakramentale ausgerichteten Katholischen Kirche, und erwartete man sich nun vom Wandel der Katholischen Kirche des Sakramentes zur Kirche des Wortes und des Sakramentes, der Lutherischen "Kirche" in gemeinsamer Abgrenzung zur Reformierten Kirche, die nur die Kirche des Wortes ist, Großes- wir entdecken die Predigt neu- so scheint jetzt das Predigen zu einer mühseligen Pflichtaufgabe für den Gemeindepfarrer sich reduziert zu haben, von der selbst die Kirche kaum noch etwas erwartet.  
Liest man daraufhin das Alte Testament hin, stößt man unweigerlich auf etwas uns irritieren Müssendes. Im Kult gab es gar keine Predigt. Priester bringen Gott Opfer dar, sie befragen Gott in Orakeldeutungen, sie segnen und weihen, sie salben...nur gepredigt wird nicht- sie beten und opfern.Es ist zu vermuten, daß erst im babylonischen Exil die Predigt im Gottesdienst aufkam, genau dann als die exilierten Priester nicht mehr opfern konnten, weil Gott selbst den Jerusalemer Tempel als einzig legitimen Ort seiner kultischen Verehrung bestimmt hatte. Nun, im Exil, galt es, den Exilierten ihre Lage zu erklären: Warum strafte unser Gott uns so, daß wir jetzt Exilierte sind und was für eine Hoffnung gibt es noch für uns? Das kann als die Grundlage des Gottesdienstes der Synagoge angesehen werden. Davon zu unterscheiden ist die prophetische Rede, die von von Gott direkt Berufenenen gehalten wurde in der Regel außerhalb des Kultes.
Die Katholische Messe ist so gesehen eine Melange aus dem neun Kultus der Eucharistiefeier als Prolongierung des Synagogengottesdienstes und der Prolongierung der Lehrpraxis Jesu Christi, daß nun seine Schüler an seiner Statt die Gemeinde belehren. Da die Lehrpraxis Jesu nun in einem Gottesdienst verlagert ist, kann man diese Praxis auch als eine Prolongierung der Praxis des Synagogengottesdienstes ansehen, nur daß nun der Katholische Gottesdienst zugleich die Fortsetzung des Jerusalemer Tempelkultes ist, indem nun das Meßopfer anstelle des alten Tempelopfers tritt. Nun ist in der Gestalt der Katholischen Messe zusammengewachsen, was eigentlich gar nicht zusammengehört: Wo der Kult ist, wird nicht gepredigt, sondern heilige Handlungen bestimmen den Kult und wo gepredigt wird, da wurde nicht geopfert. So ist es kein Zufall, daß Luther, der in der Predigt das Zentrum des wahren Gottesdienstes sah, das Meßopfer abschaffte und aus dem geweihten Priester den akademisch ausgebildeten Lehrer und Prediger der Gemeinde machte. Er war nicht mehr  Kultdiener und Liturg, sondern mehr ein Dozent seiner Schülergemeinde. 
Könnte es sein, daß die Krise der Predigt eben auch- nicht nur- das Problem dieser Melange von einem kultischen Gottesdienst und einem Synagogengottesdiest zum Ausdruck bringt? Die Katholische Lehre vom Gottesdienst versuchte dies Problem zu lösen, indem sie den Wortteil der Messe als Vormesse bezeichnete in bewußter Abgrezung zur eigentlichen Messe, der Eucharistiefeier, der Darbrigung des kirchlichen Meßopfers.
Aber wozu wird gepredigt? Der Predigthörer ist sozusagen der zu belehrende Schüler, der Teilnehmer an der Feier des Meßopfers dagegen der seine Religion jetzt Praktizierende, der sozusagen schon Ausgelernte.
Die Jesuitenseminaristen lösen dies Problem einfach: Für sie hat eine Predigt Unterhaltungscharakter zu haben und deshalb darf sie nicht belehrend sein, schon gar nicht akademisch-intellektuell. Das Abstrakte (= das Intellektuelle) spricht eben nicht das Sinnliche an als Quelle alles Unterhaltsamen. Wer wollte bestreiten, daß ein Tanzabend mit Musik und Wein uns mehr anspricht als ein Abend, der der Lektüre einer Katholischen Dogmatik gewidmet ist! Nur Intellektuellen ist es gegeben, die Schönheit eines klar dargelegten Gedankenganges zu genießen, den meisten liegt Tanz und Wein mehr und burleske Unterhaltung! 
Die Ägde der Postmoderne ist auch die des Primates der ästhetischen Vernunft in Absetzung zur Moderne mit ihrem Primat der praktischen Vernunft, in Kants Philosophie fundiert. Wesentlich ist dafür, daß das Streben nach Erkenntnis und Wahrheit selbst als etwas Negatives verurteilt wird. Eine erkannte Wahrheit macht unfrei und führt zu Konflikten, könnte als das Basisredo der Postmoderne gedeutet werden. Denn eine erkannte Wahrheit, im Besitz von Menschen, besonders wenn die sich dann organisieren, ist die Quelle aller Kriege und Konflikte, weil nun im Namen der erkannten und im Besitz sich befindenden Wahrheit alles Unwahre bekämpft würde. Die großen Ideologien mit ihren von ihnen erkannten Wahrheiten, der Kommunismus wie der Nationalsozialismus zeige so nur exzessiv, wozu eine erkannte Wahrheit führe. Anders gesagt: Das Ideal der Tolerierung von Allem und Jedem verlange den Verzicht auf jede erkennbare Wahrheit: Wir streben nur nach einer Gotteserkenntnis, aber keine der Religionen besitze die Gotteserkennntnis, und so akzeptiere jede Religion die anderen als gleichberechtigte Suchbewegung nach der Erkenntnis. 
Was kann und soll dann eine Predigt noch, wenn sie gar nicht mehr ein Akt der Vermittelung von Wahrheiten  und Erkenntnissen sein soll? Sie kann dann nur noch die Darstellung der subjektiven Frömmigkeit des Predigenden sein: So glaub ich das!, aber jeder darf das auch anders glauben. Das ist das Schicksal der einstigen Lehrpredigt Jesu Christi, polongiert im Predigtamt der Kirche in der Zeit der Postmoderne. Selbstredend ist das vorbereitet worden von der protestantischen Predigtpraxis, in der der Prediger seinen persönlichen Glauben, fußend auf seinem Verständnis der Schrift verkündigte: Liebe Gemeinde, so glaube ich das! Nur, warum soll ich mir in einer Predigt mitteilen lassen, was der Prediger da als seinen Glauben verkünden möchte- reicht mir da nicht schon der meinige? 
Was bleibt? Die Predigt soll unterhaltsam sein, ein ästhetisches Vergnügen. Und im Roman: Der Mönch, wird uns dann auch von so einer ästhetischen Predigt berichtet. Die Wirkung: "Die Predigt war von beträchtlicher Länge. Sobald sie aber schließlich doch zu Ende gegangen, betrübte sich jedermann ob des Umstands, daß sie nicht noch länger gewesen." (Der Mönch, S.28. Daß und wie dann dem Mönchsprediger dieser Ästhetizismus selbst zum Verängnis wurde, schildert dann der Roman wirklich sehr gelungen!)  
Jedes Belehren setzt nämlich voraus, daß geglaubt werden kann, daß es erkennbare und vermittelbare Erkennnisse und Wahrheiten gibt, und daß diese wirklich für das Leben von äußerster Wichtigkeit sind. Aber spätstens seit Nietzsche und S. Freud fragen wir, warum nach Erkenntnis und Wahrheit streben, wenn man in Illusionen besser lebt? Und seit dem Niedergang aller großen Ideologien, seit dem die großen Erzählungen der Emanzipation, der Heilsgeschichte nicht mehr glaubwürdig sind (Lyotard): Wozu überhaupt Wahrheit, wenn sie nur zur Unterdrükung dessen führt, was dann als nicht wahr verurteilt wird? Die christliche Predigt setzt gar Gottes Offenbaren voraus, daß er sagt, was wahr ist und daß die Predigt das vermittelt. Aber der Siegeszug der historisch kritischen Exege transformierte aus dem Buch der offenbarten Wahrheiten, der Bibel ein Dokument menschlich-allzumenschlicher Vorstellungen von und über Gott! Warum da noch Bibelpredigten hören?                      
                  
        
      

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