Freitag, 19. August 2016

Desinteresse an der Kirche- Desinteresse an der Theologie (Teil 2)

Aus einem Zuviel an Interesse an der Kirche und der Theologie wurde ein Zuwenig, ja ein Desinteresse an diesen beiden Größen. Diese These muß befremdlich klingen, aber genauso dachte die aufklärerische Philosophie gerade nach dem Ende des innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes. Daß deutsche Philosophen, mit Kant anhebend und dann im deutschen Idealismus ihre Meisterstücke hervorbringend, das Land des Denkens wurde, das gründet sich eben auch, nicht nur aber doch im Ereignis des 30 jährigen Krieges. Dieser Krieg wurde als Krieg zwischen den christlichen Konfessionskriegen wahrgenommen, in den sich auch die politischen Staaten hineinziehen ließen als Kämpfer für die wahre christliche Religion. Daß man später urteilte, daß in diesem Kriege die christliche Religion nur politisch mißbraucht wurde, diese These konnte erst vertreten werden, nachdem die christliche Religion durch die Aufklärung pazifiziert worden war, und zwar so sehr, daß es nicht mehr vorstellbar war, daß sie selbst Grund für Kriege sein kann.
Die Aufklärung frug also: Wie ist Gott zu denken, sodaß die verschiedenen Auffassungen von ihm in den christlichen Konfessionen nicht den Grund für weitere Kriege sein können. Nicht ein philosophischer oder theologischer Gewinn an der Gotteserkenntis schuf ein neues aufgeklärtes Religionsverständnis, sondern der Wille zur Pazifizierung schuf das neue Religionsverständnis.
Die aufklärerische These hieß (so Kant), daß es gleichgültig sei, welcher christlichen Konfession man angehöre, ja, welcher positiven Religion überhaupt, den es käme allein auf den Glauben an Gott, an die Freiheit und an die Unsterblickeit der Seele. Gott wolle von uns Menschen eigentlich nur, daß wir vernünftig leben im Sinne der praktischen Vernunft nach Sittlichkeit streben. So scharf- und tiefsinnig die Philosophie Kants auch ist, im Prinzip bietet sie nur einen hochveredelten Pelagianismus an: daß jeder Mensch, wenn er nur wolle und wirke, wie es ihm seine natürliche Vernunft zu erkennen gibt,   ein Gott wohlgefälliges Leben dann führe.Die Religion wird auf die natürliche Religion reduziert, denn die allein bilde den wahren Kern jeder Religion. Was dann die positiven Religionen im Kontrast zur natürlichen noch beinhalten, sei als Priesterreligion zu verurteilen. Der Begriff Priesterreligion  bekommt spätestens seit Kant (vgl: Die Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft), einen Negativklang: das, was die Priester sich ausgesponnen haben, um ihre klerikale Herrschaft zu legitimieren als ein Wissen, das nur ihnen zur Verfügung stünde als übernaürliches, das aber heilsnotwendig sei. Die Betonung der Natürlichkeit der allein heilsnotwendigen Erkenntnisse soll ja die Notwendigkeit jeder übernatürlichen Offenbarung und der Vermittelung so gewonnener Erkenntnisse ausschließen. Kein Mensch könne in Sachen Religion jemand anders etwas vermitteln, was heilsnotwendig ist, weil das jeder durch den Eigengebrauch seiner Vernunft hinreichend erkennen kann. 
Vor der Aufklärung waren die Menschen zu sehr religiös, weil sie glaubten, daß nur die jeweils positive Religion der Weg zum Heile ist und daß alle anderen Wege ins Unheil sind. Das vitalisierte die Religion. Die Devitalisierung der Religion war nun ihre Vergleichgültigung in der Idee der rein natürlichen Religion als der allein wahren. 
Von Gott wußte die aufklärerische Philosophie auf einmal ganz genau, daß Gott von uns nur das Streben nach Sittlichkeit verlangt, daß dagegen das spezifisch Religiöse ihm gleichgültig ist. Kant nennt das den Afterdienst der Kirche. Alle Sakramente, Beten und Opfern aber auch der Gottesdiestbesuch zählt dazu. Nicht der in Frankreich propagierte Atheismus durch Radicalaufklärer, nicht der englische Deismus, daß Gott die Welt vollkommen erschaffen nun sie sich selbst überließe, sondern die deutsche Lösung setzte sich durch: die konsequente Ethisierung der Religion- fromm sein, heißt nun, an Gott glaubend anständig leben. Alles Theologische darüberhinaus galt nun als nutzlose und sinnlose spekulative Dogmatik! 
Man urteilte so, daß all die theologischen Erkenntnisse sinnlos sind, weil sie nicht nützlich sind für die Förderung des sittlichen Lebens und weil sie stattdessen nur Streitereien evozierten über theologische Lehren, die alle gleichgültig wären. (Ein aufmerksamer Leser findet dafür schon in der "Nachfolge Jesu Christi" des Thomas von Kempen erste Spuren, dem Buch der  Devotio moderna- der modernen Theologie!)
Das theologische Denken soll so eingestellt werden um des innerchristlichen und innerreligiösen Friedens willen! Es soll sich auf die Postulate der praktischen Vernunft, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit reduzieren und alles andere als Überflüssiges und nur Konfliktträchtiges ablehnen. Die Pointe in erkenntnistheoretischer Sicht ist nun, daß das Erkenntnisvermögen auch nicht über diese Trias hinauskommen kann, denn sonst überfordere sie sich. Was sie nicht soll, mehr Erkenntnisse hervorbringen als es dem Frieden nütze, kann sie auch nicht, wenn sie sich in ihren Grenzen bewegt. Das, was einst die Krone der Philosophie, die Metaphysik und die Krone der Theologie, die Gotteslehre war, soll nun ganz abgeschafft werden oder nur noch reduziert werden auf den Glauben, daß Gott ist.         

Nähers dazu in: Uwe C. Lay, Der zensierte Gott.Wie uns Gott in den Zeiten der Verdunkelung der Wahrheit abhanden kam, Patrimonium Verlag 14,80 Euro                        

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen