Sonntag, 4. Dezember 2016

Umkehrpredigt- eine kleine Kritik

Ein Mann will einen Berg besteigen. Als passionierter Bergkraxler startet er früh des Morgens, gut ausgerüstet mit frischen Kräften. Eine Stunde ist er schon unterwegs, da hört er den Ruf: "Kehre um!" und er kehrt um. Eine Stunde marschiert er retour, da erschallt der Ruf: "Kehre um!" und er kehrt um, um nach einer Stunde wieder auf den Ruf hörend umzukehren. Absurder geht es nicht mehr? 
Aber was ist dann von der christlichen Umkehrpredigt zu halten? Ursprünglich war der Sitz im Leben der Aufruf an den Nichtchristen: Werde Christ. Die Umkehr ist für den Heiden die Abkehr vom Götzenglauben zum Glauben an den dreieinigen Gott, für den Juden, daß er sich zu Jesus als dem Messias Israels bekehren solle! Davon ist strikt zu distinguieren, daß dem Christ gesagt wird: Sei, was Du bist- also: Wachse in Glaube, Hoffnung und Liebe! Glauben ist eben nicht einfach ein Entscheiungsakt, durch den ich aufhöre ungläubig zu sein und gläubig werde, wie man einen Lichtschalter anknippst und es wird Licht! 
Es ist eher vergleichbar der Aneignung der eigenen Sprache: Das Kind lernt sprechen, indem es das ihm vorgegebene System der deutschen Sprache Schritt für Schritt sich aneignet und das nur, indem es die Sprache für sich individuiert: die von mir gesprochenen Sätze. So geht auch der Glaube der Kirche dem individuellen Glauben voraus, ist die notwendige Voraussetzung des individuierten Glaubens und das ist ein Hineinwachsen in den Glauben. Hier heißt nicht die Parole: Umkehr, wie es auch absurd wäre, wenn der Bergsteiger auf halbem Wege umkehrt, sondern: Weitermarschieren, seinen Glauben wachsen lassen.
Wo stattdessen inflationär die Umkehr gepredigt wird, da fehlt es am Verständnis für das religiöse Leben, denn das ist nicht einfach das Fertigprodukt einer Entscheidung zum Glauben!  Die Aufgabe des religiösen Menschen ist es, im Glauben zu wachsen, so wie ein Sportler auch nicht einfach aufhört zu trainieren und sich zu verbessern, weil er meint, jetzt ein guter Sportler zu sein, weil er sich dazu entschieden hat, ein guter zu sein!   
Die Kirche ist nun gerade der Ort, an dem und durch den der individuelle Glaube wachsen kann. Die hl. Messe, die Sakramente und das Gebetsleben sind für dies religiöse Wachstum die besten Aufbaupäparate. Und hier gilt hinsichtlich der Predigthörer, daß sie, schon weil sie in der Messe zugegen sind, einen ersten richtigen Schritt getan haben, dem weitere zu folgen haben, daß eben aus einem Ab- und Zugottesdienstbesucher ein regelmäßiger wird, daß er, der in der Messe betet, auch lernt, vor und nach der Messe zu beten usw...Nicht Umkehr ist angesagt sondern Wachstum:
Wachse in Deinem Glauben in den Glauben der Kirche hinein!   

Merksatz: Das religiöse Leben ist nicht reduzierbar auf das Pathos von: Entscheide Dich zum Glauben, höre auf, nicht zu glauben! Das religiöse Leben ist eine hochkomplexe Praxis des Glaubens, Hoffens und Liebens, der eine Theorie des rechten Glaubens, Hoffens und Liebens zu Grunde liegt! (So kann ja auch niemand individuell sprechen ohne an einem allgemeinen Sprachschatz, einer allgemeinen Grammatik zu partizipieren)

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