Sonntag, 26. November 2017

Humanitarismus und/oder christliche Religion

"Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken. Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Erde für euch bestimmt ist.
Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben?
Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

Wir sind in der glücklichen Lage, daß wenn Christus uns im göttlichen Endgericht examinieren wird-
bestehen oder nicht bestehen?- wir die Fragen des Prüflings schon im Voraus zu wissen. Welchen Prüfling würde, vor einer sehr wichtigen Prüfung stehend das nicht mit Freude und Zuversicht erfüllen? Damit stehen wir nun schon vor der ersten Aporie dieser jesuaischen Verkündigung seines endzeitlichen Gerichtes. Die Schafe werden Christus fragen, wann haben wir dich nackt, hungrig etc gesehen? Aber seit dem Augenblick, da Jesus Christus uns sein Endgericht offenbart  und er uns seine Examensfragen kundgetan hat, ist diese Frage sinnlos geworden, denn wir wissen nun, wann wir Christus so gesehen haben. So kann es nun nicht mehr Christen geben, die sich richtig verhalten zu Hungernden, Nackten etc, ohne daß sie wüßten, daß sie so Jesus Christus selbst zu essen und zu trinken geben.
Diese Offenbarung des göttlichen Endgerichtes verunmöglicht so, daß das, was hier Jesus selbst verkündet,je wahr werden kann. Oder wir müßten präsumieren, daß es Christen gibt, die in Unkenntnis dieser Offenbarung so gehandelt haben.
Damit wird es aber noch komplizierter: Sollte etwa gemeint sein daß es im Endgericht Nichtchristen gegeben haben wird, die Armen so geholfen haben und daß sie so in das Reich Gottes eingehen werden und daß es andere Nichtchristen geben wird, die dann, weil sie Armen nicht geholfen haben, nicht in das Reich Gottes eingehen werden? In diesen beiden Fällen können ja Christen nicht gemeint sein, denn sie wissen ja in Folge dieser Gerichtsbelehrung durch Jesus Christus, was es bedeutet,Armen zu helfen: Was ihr Armen Gutes tuet, das tuet ihr Chrstus selbst. 
Wäre das nicht die völlige Humanisierung de christlichen Religion, denn nun käme es im göttlichen Endgericht nur noch darauf an, wie ich mich zu den Armen verhalten habe, ob ich in das Reich Gottes oder in die Hölle komme. Die christliche Religion bestünde so nur im praktizierten Humanitarismus (vgl Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral), der Glaube wäre völlig überflüssig, ja jede Art von Beziehung zu Gott und somit die Religion ! 
Nur, legten wir das so aus, könnte ein Christ weder Schaf noch Bock sein, weil er ja nun ob der Offenbarung und Belehrung Jesu weiß, welche Bedeutung die Armen für das Seelenheil haben! Dann würde der Adressat dieser Rede zwar die Kirche, aber sie würde hier nur über die Heilsmöglichkeit der Nichtchristen informiert.  Das ist nun schwerlich vorstellbar.
Bleiben wir bei der Vorstellung des Examens. Der Prüfling weiß in der Regel nicht, was er in der Prüfung gefragt wird. Durch diese jesuanische Gerichtsbelehrung verändert sich die Lage der zu Prüfenden, denn jetzt wissen sie die Examensfragen. Der Prüfer verkündet sie uns im Voraus, damit wir so die Möglichkeit bekommen, optimal vorbereitet in das göttliche Endgericht einzutreten. Also sind doch wir Christen die Adressaten mit der Aufforderung: Lebt wie die Schafe und nicht wie die Böcke in Hinsicht auf das göttliche Endgericht. Dabei habt ihr den Vorteil, im Gegensatz zu dem in dieser Erzählung Gerichteteten, daß ihr im Voraus die Prüfungsfragen kennt. Präpariert euch also dem gemäß.
Wer sind nun aber die Armen? Jeder, der arm ist, und auch jeder, der in einem Gefängnis sitzt? Denken wir uns einen Drogenhändler oder Mörder, zu langjähriger Gefängnisstrafe verurteilt, den nun ein Christ besucht. Warum sollte Gott urteilen: Was ihr diesem Schwerverbrecher getan habt, das habt ihr Jesus Christus getan? Hat Jesus Christus etwas gemein mit Schwerverbrechern? Oder ist Jesus in die Welt gekommen, um Hunger und Durst zu beseitigen? War das Ziel von Jesu Kommen die Errichtung einer sozial gerechten Welt, wobei er mit diesem Programm zu seinen Lebzeiten anfing, es aber nicht ganz realisieren konnte, sodaß er die Vollendung dieses Sozialprogrammes der Kirche auftrug? Soll uns diese Gerichtspredigt Jesu Christi eigentlich nur sagen, daß die einzige Aufgabe der Kirche und des einzelnen Christen die Diakonie ist mit dem Ziel einer Welt, in der alle Menschen genug an den für das Leben, ein gutes Leben gar notwendigen Gütern haben? 
Nur, hatte dies Sozialprogramm der Teufel Jesus Christus nicht schon in der Versuchung angeboten: Gebe allen Menschen an Nahrung, was sie brauchen und die Menschheit wird dich, Jesus zu ihren König  inthronisieren. Damit setzt dieser Menschenkenner voraus, daß dem Menschen seine Magenbedürfnisse das ihm wichtigste sind und daß darum Jesus sich auf diese Realbedürfnisse der Menschen zu kümmern habe, wolle er von ihnen wirklich als ihr Messias anerkannt werden. 
(Dostojeweskis Verdienst ist es ja gerade, die wirkliche Bedeutung dieser satanischen Versuchung begriffen zu haben. Dostojweski, Der Großinquisitor.)
Lesen wir aber genauer:  
"Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."  Wer sind nun die Brüder Jesu Christi? Es sind seine Schüler, die Christen! Nie bezeichnet Jesus alle Menschen als seine Brüder, sondern immer nur die Christgläubigen. Auch die Juden, sofern sie nicht an Jesus Christus glauben, sind ihm keine Brüder. Wenn Jesus also von ihm Gefängnis Sitzenden spricht, hat er Christgläubige vor Augen, die um ihres Glaubens willen inhaftiert wurden. Die Armen, das sind die Armen in den Gemeinden, aber auch wohl die christlichen Wanderprediger, die auf die Unterstützung durch die christlichen Gemeinden angewiesen waren, wenn sie nicht wie der Apostelfürst Paulus ihren Lebensunterhalt selbst sich verdienten. 
Also, nicht ein Armenfürsorgeprogramm zur Weltbeglückung stand Jesus Christus vor Augen, als er diese Gerichtsbelehrung  vortrug, sondern eine Konkretion für das christliche Gemeindeleben: In der Kirche hat es eine besondere Fürsorge für die Armen der Gemeinde zu geben und für die um ihres Glaubens willen Eingekerkerten. 
Das heißt für das göttliche Endgericht, daß eben nicht das Bekenntnis, Jesus ist der Herr!" allein genügt, um in das Reich Gottes einzugehen, sondern es bedarf des in Liebeswerken tätigen Glauben. Jesu Gerichtspredigt lehrt so das, was gerade das besondere Anliegen des von Luther so geschmähten Jakobusbriefes ist! Man darf so dieser Gerichtsbelehrung Jesu als eine Konkretisierung der Aussage des Apostelfürsten Paulus verstehen:"Denn so du mit deinem Munde bekennst Jesum, daß er der HERR sei, und glaubst in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig." (Röm 10,9) Bekennen meint so ein Tuen mit dem Munde und mit der Hand. Nicht ist so die Intention, die christliche Existenz auf eine sozialdiakonische Praxis  zu  reduzieren, sondern klar zu stellen, daß unser göttlicher Richter uns examinieren wird,ob wir einen in guten Werken tätigen Glauben gelebt haben, wobei Christus selbst hier an Liebeswerke an den Mitchristen denkt und gar nicht humanitaristisch an alle Menschen der Welt. 
Es ist anzunehmen, daß die Kirche erst in der Konstantinischen Epoche als Staatsreligion die allgemeine Armenfürsorge als ihre Aufgabe annahm in ihrer Cooperation mit dem Staate! Das war sicher ein richtiger Schritt, auch wenn die Kirche damit das ursprüngliche Anliegen dieser Gerichtbelehrung Jesu ausdehnt auf eine allgemeine Menschenliebe. Zu fragen ist aber, ob das noch das Anliegen der Kirche zu sein hat nach dem Ende der Konstantinischen Epoche, in der nun die Staaten die Sozialpolitik als ihre ureigenste Aufgabe ansehen!  (Vgl hierzu auch vortrefflich: Jürgen Elsässer, Nationalstaat und Globalisierung,2009) 

1. Zusatz:
Der späte Dietrich Bonhoeffer mit seiner Rede vom religionslosen Christentum, aber noch mehr die Befreiungstheologie neigten zu so so einer Transformation der christlichen Religion in einen Humanitarismus. Aber jetzt scheint das der vorherrschende Trend in der Katholischen Kirche geworden zu sein, anhebend mit  dem 2.Vaticanum! 

2. Zusatz:
Jesu Christi Verkündigung hatte ihr Zentrum in der Frage: Wie muß ein Mensch leben, damit er wohnen darf im Zelte Gottes (Psalm ), bzw. im nahe gekommenden Reich Gottes. Er verkündete kein Programm zur humanen Weltumgestaltung.Erst der Humanitarismus deutet Jesu Verkündigung so um, exemplarisch in:"Gaudium et spes" des 2.Vaticanums.     
             

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