Samstag, 2. Dezember 2017

Verkitschtes Christentum- ist das möglich?

Was ist überhaupt Kitsch? So häufig dieser Begriff auch benutzt wird, stets als Fremdurteil über etwas, nie als Eigenbezeichnung: Kitsch produziere ich!, so unklar ist das, was damit gemeint ist. Nur in einem sind sich alle verdächtig einig: Kitsch ist etwas Verwerfliches.
 Milan Kundera offeriert nun eine bedenkenswerte Definition von Kitsch:"Kitsch schließt alles aus seinem Blickwinkel aus,was an der menschlichen Existenz im wesentlichen unannehmbar ist." (Kundera, Die unerträgliche  Leichtigkeit des Seins, Fischer Tb, 1987, S.238) Dies Ausschließen deute ich als den Akt, durch den sich ein künstlerisches Werk als Kitsch hervorbringt. Der Autor spricht dann (S.237) von dem kategorischen Einverständnis mit dem Sein. Es gäbe den wesentlichen Unterschied nicht zwischen denen, die meinen, die Welt sei von Gott erschaffen und denen, die meinen, daß sie von selbst erstanden sei, sondern zwischen denen, die urteilen, "daß die Welt so erschaffen wurde, wie sie sein sollte, daß das Sein gut und es daher richtig sei, daß der Mensch sich mehre." (S.327). Das sei die Haltung des kategorischen Einverständnis mit dem Sein. Diese Haltung als künstlerische Grundhaltung gründet das ästhetische Ideal des Kitsches.
Ist damit jede christliche Kunst a priori Kitsch, wenn sie von dem Gutsein der Schöpfung ausgeht, wenn sie das Leben, so wie es ist, affirmiert? Dann wäre nur eine kritsche Kunst keine kitschige, eine die zum Leben oder zumindest zur jetzigen Gestaltung des Lebens ihr Nein sagt. 
Ist das der Grund, warum etwa die Romane Karl Mays und die von Hedwig Courth- Mahlers als Kitsch abgeurteilt werden, weil ihnen eine positive Weltsícht zu Grunde liegt, sodaß es zwar zu schwerwiegenden Störungen und Konflikten kommen kann, (und das macht den Lauf des Romanes aus)  aber am Ende wird dann alles gelöst und es erscheint wieder die wiederhergestellte heile Welt, in der alles in Ordnung ist? 
Aber : Gottes Schöpfungswerk  ist einer von Gott gewollten Depravation unterworfen worden ob des Sündenfalles der ersten Menschen. Die Welt ist, so wie sie postlapsarisch geworden ist, nicht mehr die gute Schöpfung.Der Messias kam nicht in die Welt, um dem jüdischen Volke und dann auch  allen Menschen zu erklären, daß sie alle schon in der bestmöglichen Welt lebten, daß alles in Ordnung sei: Du bist gut, die Welt ist gut und alles ist eben gut, so wie es ist! Nein, Jesus Christus Aufgabe war, uns zu erlösen! Das setzt voraus, daß wir Menschen und die Welt erlösungsbedürftig sind.
Nehmen wir so die Definition des Kitsches auf, dann hieße das: Kunst wird dann zum Kitsch, wenn sie die Realität, daß die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte, ausgeblendet wird. So könnte es dann auch wirklich ein verkitschtes Christentum geben, indem es den Fall der Schöpfung ausblendet und Jesus umformt zu einem bloßen Jasager: Alles ist gut und in Ordnung. Es entsünde dann eine Kunst, die nur die Welt vor dem Sündenfall kennt und so das Kreuz ignoriert: eine Welt schafft, in der keine Erlösung mehr  Sinn ergibt. 
Das am Sein Zweifeln machte dann die wirkliche Kunst aus, daß eben in ihr an dem Gutsein und den Sinn des Lebens, so wie es jetzt ist, gezweifelt wird. 
Implizite setzt Kundera somit voraus, daß es die wesentliche Aufgabe der Kunst wäre, das wirkliche Leben realistisch wiederzuspiegeln (Vgl dazu Georg Lukacs) und daß somit das Urteil, daß sei Kitsch, sagt, daß ein Kunstwerk nicht realistisch die Wirklichkeit wiederspiegelt. 
Wie nun aber, wenn so die Kunst zu einseitig betrachtet wird, daß sie nicht Realitäten wiederspiegelt sondern Kunstwelten schafft, damit Menschen zeitlich befristet in diesen Kunstwelten leben im Akt des Genießens der Kunst? Auch dann könnte diese Kitschdefinition einen Sinn ergeben: Eine Kunstwelt wäre dann kitschig, wenn in ihr selbst das Leben nur noch als etwas rein Positives und Gutes zu stehen käme. 
So gesehen kann es tatsächlich kitschige christliche Kunstwerke geben, wenn in ihren nichts mehr vorkommt von dem Bösen, dem Widergöttlichen, dem Gefallensein des Lebens. Die christliche Erlösungsreligion transformiert sich dabei zu einer des großen Jasagens: Alles ist in Ordnung! Gott ist dann nur noch die Liebe, die zu Allem Ja und Amen sagt! 
(vgl dazu: Uwe C. Lay, Der zensierte Gott) 
Nur, es muß aber auch geurteit werden, daß dem Kitsch ein Wahrheitsmoment innewohnt: die Verheißung der Wiederherstellung einer heilen Welt am Ende der Zeiten, die im Kitsch sozusagen schon antizipiert wird. 

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