Montag, 23. April 2018

Die Religionen und der Priesterbetrug

Das aufklärerische Denken war in erster Linie ein kirchenkritisches Denken, sich legitimierend in der Erfahrung der innerchristlichen Religionskriege des 17.Jahrhundertes. Es könne nur eine wahre Religion geben, die natürlich vernünftige, aber viele positive, die in ihrer Positivität( nicht im Sinne von "gut", sondern im Sinne vom "positiven Recht" im Gegensatz zum Naturrecht) als Abweichungen vom Natürlichen, sozusagen "künstlich" als negativ zu beurteilen sind. Die vernünftige Religion ist so nicht eine Ursprungsreligion, sondern eher der vernünftige Kern in jeder Religion, die aber als positive das Natürliche überwuchert. So  versucht eben Kant diese rein vernünftige Religion zu konstruieren, fußend auf der praktischen Vernunft und Fichtes Anweisung zum seligen Leben kann als Parallelversuch gelesen werden. Gemein ist ihnen dabei das Nein zum kirchlichen Christentum und die Verneinung aller anderen "primitiven" Religionen.Die vulgärste Religionskritik, daß alle positiven Religionen Produkt eines Priesterbetruges seien, erfreute sich dabei gerade in der Aufklärung größter Beliebtheit.
Um so erstaunlicher, wenn wir dann bei Hegel lesen können: "Hegel protestiert leidenschaftlich gegen die  Vorstellung, daß alles >was die Millionen, die in diesen Jahrhunderten...lebten und starben, für Pflicht und heilige Wahrheit hielten, -daß dies nicht barer Unsinn und gar Immoralität,wenigstens den Meinungen nach, gewesen ist<.  [...] Man muß, sagt Hegel, >wenigstens voraussetzen, daß der Mensch ein natürliches Gefühl oder Bewußtsein einer übersinnlichen Welt und der Verpflichtung gegen Göttliches habe...daß alles Höhere, alles Edlere und Gute des Menschen etwas Göttliches ist, von Gott kommt, sein Geist ist, der von ihm ausgeht.<"   Georg Lukacs, Der junge Hegel, Bd 1, stw 1973, S.363f Daß der marxistische Philosoph Lukacs von dieser Wertschätzung der positiven Religionen des sonst von ihm so angetanenen Denkers nicht begeistert ist, braucht nicht erwähnt zu werden. 
Aber eines könnte hier auch für das theologische Denken relevant sein: Wie leicht übernimmt die Theologie die Kritik der Aufklärung, daß im Prinzip die anfänglichen Religionen Produkte von Priestern waren, daß sie rein abergläubisch waren und daß, wenn überhaupt noch etwas Wahres in ihnen sein sollte, dies so überwuchert sei, daß die Religionen nur noch etwas Negatives seien? Und der Enthusiasmus für ein religionsloses Christentum, etwa bei D. Bonhoeffer aber auch wohl in der Befreiungstheologie, speist sich das nicht auch aus dem Nein zu allen positiven Religionen? 
Ist da Hegels Sicht nicht bedenkenswerter, daß in jeder Religion Wahrheit ist, weil sie eben Religion ist, daß in ihr von einer übersinnlichen Welt gewußt wird, daß in ihr Gott oder die Götter verehrt werden? Und kann eine Religion gerecht beurteilt werden, wenn ihre Ausrichtung auf das Jenseitige, Übersinnliche einfach als Projektion abgetan wird, denn sie gründet sich ja auch selbst- nach ihrem Selbstverständnis- auf ein Einwirken Gottes. Kommt etwa jede Religion aus göttlichem Geiste?
Das könnte aber nur für die vorchristlichen Religionen gelten, denn die nachchristlichen konzipierten sich ja als Verneinung der wahren christlichen Religion, also die jüdische wie die islamische Religion. Sie setzen die offenbarte Wahrheit voraus, um sie zu negieren. 
So kommt es zu dieser seltsamen Paradoxie, daß die Religion des AT wahr ist, wenn von ihr aus Jesus als der Christus erkannt wird, und sie wird unwahr, wenn das Neue Testament nicht als ihre Vollendung gelesen wird. So ist etwas wahr und unwahr zugleich. Alle vorchristlichen Religionen sind wahr als Vorbereitung auf die vollendete Wahrheit in der christlichen Religion, aber sie werden unwahr, wenn sie sich gegen die offenbarte Wahrheit erhalten wollen. Das ist das Recht und die Pflicht zur Mission unter Andersgläubigen- wider Papst Franziskus Neigung, das als Prosylitenmacherei zu verteufeln.  
Aus dieser Dialektik, daß etwas Wahres Unwahres werden kann, obzwar es wirklich wahr war, steigt die Vulgärkritik des Priesterbetruges aus, indem sie nur noch das Unwahre in den positiven Religionen sieht.   

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